Hörenswertes, April 2016: The Body, Kaada & Patton, Autolux, Kevin Morby
1 April ist gekomm und brint uns 1 Rainbow Schwan der Wetter schön und 1 sonnige Tag genießt (Hach…). Abgesehen von dem kleinen Wicht, der mir mit seinen mittlerweile acht Wochen den Monat versüßt (He’s fucking smiling!), hatte ich im wildesten Frühlingsmonat seit Beginn der eigenen Wetteraufzeichnung auch sehr viel Freude mit einem Sprung durch alle möglichen Genres: Feinster Indie Art Pop von Autolux, gediegener Instrumental Post Post Espresso Rock von Kaada und Patton, apokalyptischer Avantgarde Metal von The Body und klassischer Americana von Kevin Morby. Das gibt es auf den kommenden Seiten alles zusammen mit fetter Hörenswert-Empfehlung. Und jetzt bitte Sommer auf 3, 2, 1…
Autolux – Pussy’s Dead
(Columbia, 01.04.2016)
Da scheint aber jemand – anscheinend ganz unbewusst – Richtung Indie-Rock-Olymp zu schielen. Nicht nur dass Autolux mittlerweile auf eine beachtliche Supporter/Tournee Karriere zurückblicken (unter anderem befanden sie sich im Gepäck von Nine Inch Nails und Queens of the Stone Age), zudem lässt der zurückhaltende, Fan-Nerven arg strapazierende Veröffentlichungsturnus von gerade mal drei Alben in einem Zeitraum von zwölfJahren darauf schließen, dass das Es der Kalifornier großes plant und sich keineswegs mit dem Radiohead-Gedächtnispreis zufrieden geben will.
Warum das hier noch einmal erwähnt werden muss? Nun mit Pussy’s Dead schielen Autolux nicht nur nach oben, sondern gehen auch gleich mit großen Schritten voran. Gelernt haben sie, das ist klar: Vom Shoegaze, vom Rock N Roll, von der experimentellen Phase der Radioheads Anfang des Jahrtausends. Epigonie betreiben sie mit ihrem Schulwissen aber keineswegs. Stattdessen spielen sie eine wunderbar zeitlose Mischung aus lazy Badass Pop N Roll, verspieltem Electro und experimentellem Avant Art Pop, der sich in der Gesellschaft von Kid A und Amnesiac sichtlich wohlfühlt. Wo Radiohead anno dazumal (Ja, der Shit ist schon über fünfzehn Jahre her) versuchten den Brit Pop und Indie Rock zu transzendieren, nehmen Pussy’s Dead mit ärztlicher Akribie den Stoner Rock auseinander, bis von diesem nur noch ein elektronisches Korsett stehen bleibt.
Das ist in seiner Konsequenz gewaltig, zerreißt einmal mit großer Geste jeglichen Desert/Garage-Moment des Genres und führt es in ein künstlisches, künstlerisches Soul-Krematorium. Aber in all dem kalten, verkopften Elektronikrauschen bleibt doch – wenn auch gut versteckt – eine Menge roher, rotziger Rock N Roll Attitüde enthalten, und Autolux entfädeln und entschlüsseln die daraus entstandenen fragilen Indie Hymnen derart gekonnt, dass man ihnen kaum Prätentiösität vorwerfen kann. Und plötzlich steht man oben, ganz oben auf dem Indie-Olymp und kaum einer hat es mitgekriegt: „I change my head so I won’t be followed, I change my head so I won’t be bored“ heißt es in der Beatles-Gedächtnishymne Change my head. Und Autolux wundern sich wohl von allen am meisten, dass sie auf dem Weg nach oben nicht über ihre eigenen Referenzen gestolpert sind. Gut möglich, dass wir hier das Hornbrillen-Album des Jahres vor uns haben.
Kaada & Patton – Bacteria Cult
(Rough Trade, 01.04.2016)
Ja, manchmal verpasst man einfach eine aktuelle Patton-Veröffentlichung. Jetzt mal ehrlich, bei dem Output des Maniacs von gefühlt drei Alben pro Monat ist es mitunter echt schwer dranzubleiben, zumal auch die letzten Werke des „Weirdo mit Schnauzer“ (perfekte Charakterisierung, die ich mir mal von anderswo ausleihe. Danke.) quer durch alle Genres gesprungen sind: Vom Chaos-Metal über Electropop bis zu italienischen Schlagern. Zugegeben, die erste Kollabro mit Soundtüftler Kaada gehörte dabei zwar zu den gelungenen, keineswegs aber hervorstechenden Projekten. Umso erstaunlicher, dass es ein über zehn Jahre nach Romance doch noch einen Nachfolger gibt.
Bacteria Cult ist nicht weniger (leider auch nicht mehr) als das, was man von einer Romance-Fortsetzung erwartet. Auch hier frönen die beiden Matadore wieder ihrem Faible für ganz besondere Filmsoundtracks für ganz besondere Filme, die es wohl nie auf die Leinwand schaffen werden. Fernab der postrock’schen Komposition zelebrieren Kaada und Patton auf Bacteria Cult ihre ganz eigenen Instrumental Softporno, garniert mit ein wenig Giallo-Horror, gediegenen Klassik- und Moderneanleihen und viel verzahntem chrolalem Klimbim. Im Gegensatz zum Instrumentaltrend der Postrock-Ära wird hier wenig aufgebauscht, wenig monoton gedehnt und so gut wie gar nicht erodiert. Stattdessen verlieren sich die fragilen Kompositionsgerüste in düsterem Ambient, der immer ein wenig wie eine Streicheleinheit von Fantomas (minus dem experimentellen, avantgardistischen Moment) daherkommt. Das ist dann einerseits spannend, weil es sich allen – selbst den avantgardistischen – Konventionen entzieht, andererseits tröpfelt es aber etwas zu unaufgeregt, zu brav vor sich hin. Vielleicht ist es damit sogar das erste genuine Fahrstuhlmusik-Album von Mike Patton… und ja, auch dieses Genre beherrscht der Herr zweifellos. Aber mal ehrlich, entspannte Fahrstuhlmusik ist nun wirklich nicht gerade das Erste, was wir von Mr. Tausendsassa hören wollen.
The Body – No One Deserves Happiness
(Thrill Jockey, 18.03.2016)
Wenn Patton das Frühjahr wegkuschelt, muss halt jemand anderes für den wohltemperierten Krach sorgen. Und das machen The Body auf ihrem Opus Magnum No One Deserves Happiness in der Tat. Dem Papier nach mag der Sound der Grudge Metaller, die immerhin schon seit Anfang der 2000er Welten zerstören, aus Portland kommen, wer sich aber nur einmal durch diesen Dreiviertelstünder gekämpft hat weiß es besser: Der Sound dieses Experimental Metal Monolithen kommt direkt aus der Hölle. Vielleicht lag sich mancher Hörer noch von dem ambientösen Intro täuschen lassen, sobald dann aber Bass, Drums und vor allem diese Vocals (Hölle, diese Vocals) über den Uninformierten hereinbrechen, ist es vorbei mit jeder Atmosphäre diesseits von Verdammnis, Höllenfeuer und ewiger Finsternis.
No one Deserves Happiness ist ein wilder Ritt durch metallene Verzweiflung: Fast erstickt von düsteren, schwergängigen und langsamen Drone Metal Attacken kreischt Sänger/Leider/Märtyrer Chip King im Hintergrund, als würden an ihm sämtliche Folteroptionen aus Dantes Fegefeuer und Inferno durchexerziert werden. Dabei werden seine hysterischen Hilfeschreie jederzeit geradezu verschluckt von dem Drönen und Scheppern, dass im Vordergrund vor sich geht. Das klingt dann so, als würde ein Thrash Metal Shouter von einer Drone Band bei lebendigem Leib beerdigt werden, während Gastsängerinnen wie Maralie Armstrong vor seinem frischen Grab sein Sterben betrauern. Schmerzgabe und Schmerzentgegennahme liegen hier immer verdammt dicht beieinander und lassen No one Deserves Happiness zu dem nihilistischsten Brocken Musik seit den 90er Naked City Eskapaden werden. Das erfordert nicht nur Geduld vom Hörer, sondern auch eine enorm hohe Schmerztoleranz. Diese vorausgesetzt wird man aber mit einem verdammt spannendem Stück Extrem-Metal belohnt, das auch Converge oder Dillinger Escape Plan wie harmlose Chorknaben erscheinen lässt. Erschöpftes Resumee: Nur die Harten kommen in den Garten… und gebt diesem gottverlassenen, gottverdammten Meisterwerk eine Chance. Es lohnt sich!
Kevin Morby – Singing Saw
(Dead Oceans, 15.04.2016)
Eigentlich wollte ich jetzt gerade zu einem Rant auf die gesamte Americana-Landschaft ansetzen… in dem Augenblick sind mir aber auch schon die Finger eingefroren. Nee, um ehrlich zu sein, ist alles roger in dem Genre. Die amerikanische Folk- und Singer/Songwriter-Landschaft gehört nach wie vor zu den diversifiziertesten der Welt. Egal, ob man nun auf die jungen Herzensbrecher, die jungen Herzgebrochenen oder die jungen Wilden steht. Irgendein passendes Album findet man immer, in jedem Jahr, zu jeder Jahreszeit. Kevin Morby gehört in diesem Umfeld zu denen, die auch gerne gegen einen möglichen Zeitgeist das Dylan’sche Moment aufrechthalten: Viel Retro Rock N Roll, viel nasales Storytelling, viel Urbanität und viel verrauchter Outsider-Charme.
Singing Saw mag dabei vielleicht das beste Album des ehemaligen Woods-Bassisten und Babies-Frontmanns sein. Das liegt daran, dass sich eine Menge Sonne in den Alt-Country-Mix des Barden eingeschlichen hat. Anstatt sich in folkloristischer Metaphysik oder postpubertärem Gejammer zu verlieren steht Morby mit beiden Füßen auf dem Grund der Americana-Tradition, zitiert geschickt Country, Blues und Folk, schlenkert von Dylan zu Cohen und zurück und erschafft dabei musikalische Kurzgeschichten, die nie zu introvertiert monologisch aber auch nie zu extrovertiert expressiv sind. Unterstützt wird er dabei von einer sehr gehobenem Produktion, die seiner Stimme und Gitarre genug Platz zum Atmen gibt, sich aber auch nicht mit elegischen Verfeinerungen zurückhält und so aus den schmucken Songs große Hymnen zaubert. Ja, das macht verdammt viel Spaß und die Sonne der Westküste – zu der es Morby mittlerweile gezogen hat – scheint aus jedem einzelnen Akkord aus jedem einzelnen Tastenschlag hervor. Thanks Kevin. Make Americana great again.
Ebenfalls gehört:
– Deftones – Gore: Sind seit dem (total unterschätzten) selftitled leider den Weg weg vom Alt-Metal hin zum Düster-Alternative-Rock gegangen. Seitdem stagnieren sie auf hohem bis solidem Niveau. Auch auf Gore, die zwar wieder etwas frischer und auch leicht metallastiger klingt als die Vorgänger, alles in allem aber viel zu brav ist, um es mit den experimentellen 90er Meisterwerken der Band aufzunehmen. Wieder mal ein gutes dunkles Rock-Album, das mich allerdings wieder mal wehmütig zurück zu den Frühwerken der Band blicken lässt.
Sheer Mag – III: Wundervoller, herrlich dreckiger Power Rock N Roll mit kraftvollen Female Vocals, viel Punk, einer enorm hohen Catchyness und einer Low-Production, irgendwo zwischen Garage und dreckigem Kellerloch. Kratzt, scheppert, rockt, fetzt!
Colin Stetson – Sorrow – a reimagining of Gorecki’s 3rd symphony: Getragene Auseinandersetzung mit einem mir bis dato unbekannten Komponisten… irgendwo zwischen Moderne und Postmoderne. Klingt unglaublich spannend, braucht aber definitiv mehr Zeit, um von mir angemessen gewürdigt zu werden. Vielleicht nächsten Monat dann ne Full Review.
Bands/Künstler_Innen: Autolux, Kaada, Kevin Morby, Mike Patton, The Body, | Genres: Art Pop, Art Rock, Avantgarde / Experimental, Electro Pop, Folk, Klassik / E-Musik, Metal, Singer/Songwriter, | Jahrzehnt: 2010er,