Genre: Avantgarde-Jazz

Hörenswertes: April 2011: Explosions in the Sky, Za!, The Mountain Goats, Colin Stetson

Nein… Heute wird an dieser Stelle mal nicht über das Wetter gejammert… Warum sollten wir auch, wenn uns die Tage so heiße Musik auf den Tisch bringen? Richtig feurig wird es mit wüstem, chaotischen Hack-Zappa-Prog von Za! und ihrem musikalischen Bastard Megaflow, sowie ambivalentem Post-Jazz vom Arcade Fire Saxophonisten Colin Stetson. Explosions in the Sky machen wieder einmal was sie am besten können, gediegenen, atmosphärischen Postrock und John Darnielle lässt auf All Eternal Deck erneut die etwas lauteren Seiten von The Mountain Goats zum Vorschein kommen, freilich ohne auf wunderschöne subtile Songwriterballaden zu verzichten.

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Im Kopf eklektisch, im Herzen frei – Das neue Album des Jazzpianisten Jason Moran: Ten

Déja-Vu-Alben sind im postmodernen Jazz keine Seltenheit. Man hat eben seine Ikonen und Vorbilder und scheut sich auch nicht diese zu verarbeiten, mit ihnen sie zu spielen und ihren Meisterwerken zu huldigen. So auch zu hören bei dem Pianisten Jason Moran, der nach Art in Residence (2006) satte vier Jahre gewartet hat, um neues Material zu präsentieren. Auf Ten tut er genau das. Und auch wenn sich der Begriff „neu“ ohne Schwierigkeiten relativieren lässt, angesichts der zahlreichen Cover-Versionen, Reminiszenzen und Motivreanimationen, so ist Ten trotz allen Eklektizismus  doch ein fantastisches, frisches und originelles Album geworden.

Jason Moran hat schon vor längerer Zeit mit „The Bandwagon“ zu seiner Stammcrew gefunden. Und dass das Zusammenspiel mit Taurus Mateen am Bass und Nasheet Waits am Schlagzeug nach wie vor perfekt funktioniert, ist auch auf dem neuen Material nicht zu überhören. Gemeinsam schwingen sich die Musiker durch relaxtes Cool-Jazz-Wabern in Morans Eigenkompositionen wie dem beschwingten „Blue Blocks“ oder dem manisch eklektischen „RFK In the Land of Apartheid“. Dabei gelingt ihnen der hervorragende Spagat, zahlreiche Reminiszenzen an Klassiker des Jazz in die verwegen ambivalenten Töne einfließen zu lassen und zugleich eigenständig und frei zu klingen. Ohnehin geht hier dem Zuhörer jedesmal das Herz auf, wenn unerhofft die Tradition einfällt. In der Thelonious Monk Exegese „Crepuscule with Nellie“ steckt so viel Respekt und nostalgischer Charme, dass Morans augenzwinkernde Verspieltheit nur noch am Rand wahrgenommen wird. Gleiches gilt für die behutsame Piano-Ballade „Play to Live“, das zusammen mit dem leider verstorbenen Andrew Hill komponiert wurde und ein nachdenkliches, subtiles Stück Avantgarde Jazz darstellt.

Die Eigenkompositionen (die gut die Hälfte des Albums ausmachen) begeistern ebenso wie die Reminiszenzen an die Vorbilder und fügen sich mit diesen zu einem anspruchsvollen und zugleich harmonischen Ganzen. Das liegt nicht zuletzt an dem Umstand, dass Jason Moran grundsätzlich verweist, auch in seine eigenen Werke Tradition und avantgardistische Lehrmeister einfließen lässt. Die vorsichtige Verwebung von Erhaltung und Erneuerung sorgt für einen ungemein homogenen Flusses der Musik durch den gesamten Tonträger. Rhythmische Hard Bop Kinder wie das treibende „Study No.6“ fügen sich nahtlos an philosophisch verschachtelte Pianoträume wie „Pas de Deux“, das sich auch nicht vor klassischen E-Musik-Einflüssen scheut. Jaki Byard, Thelonious Monk, Leonard Bernstein und auch so manche Free Jazz Ikonen luken aus dem Material immer wieder hervor, ohne jedoch die Selbstständigkeit und die – mal störrische, mal nachdenkliche – Eigensinnigkeit des Gesamtwerkes zu stören.

Jason Moran haucht auch 2010 mit seinen komplexen Interpretationen dem Jazz viel Leben ein, spielt mit der Tradition ebenso wie mit dem Progress und zaubert mit Ten dadurch ein Album, das atmet, lebt, aufbegehrt, sich aber auch zurückzieht, flüstert und einfach nur schweigt. Eine wunderschöne Melange aus Nostalgie und postmodernem Spiel, aus Ruhe und Kraft. Ein starkes Werk zwischen subtiler Piano-Melancholie und rhythmisch-komplexem Aufbegehren. Herz und Kopf gleichermaßen befriedigend, eklektisch und frei zugleich.

Soundgewänder – Rezension zu dem neuen Album von Kayo Dot: ‚Coyote‘

Wohin soll denn die Reise gehen…? Die Avantgarde-Metaller Kayo Dot haben nach dem gefeierten Postrock-Metal-Bastard Dowsing Anemone with Copper Tongue einen extremen Wandel durchgemacht. Weg von den deftigen Postmetalgitarren, weg vom Geschreie und Gekeife, weg von der Aggression hin zu einem fast schon anschmiegsamen experimentellen Postjazzgewaber auf ihrer dritten Langspielplatte Blue Lambency Downward. Das verschreckte die Fans der avantgardistischen Band gar nicht so sehr, was im Nachhinein betrachtet aber nur allzu logisch erscheint. Immerhin waren Kayo Dot schon immer weit entfernt von wüstem Testosteron-Geballer. Stattdessen wohnte ihrem harten, kompromisslosen Sound seit jeher etwas Fragiles, Melancholisches und auch Schönes inne. Da schien es nur konsequent, die Härte zurück zu fahren und sich mehr auf die zerbrechlichen Soundkonstruktionen zu fokussieren. Aber damit war die Reise noch nicht zu Ende, wie das nun 2010 veröffentlichte, konsequent weitergedachte „Coyote“ unter Beweis stellt.

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