Warum Böhmermanns BE DEUTSCH trotzdem rockt…

Gleich mal als Disclaimer und tl;dr vorangestellt: Ich bin der festen Überzeugung, dass Böhmermann derzeit der einzige ist, der den deutschen Comedy, das deutsche Kabarett, die deutsche Unterhaltungsshow und ganz generell die deutsche TV-Landschaft retten kann. Seit BE DEUTSCH bin ich erst recht der Meinung, dass er dies im Alleingang tun wird.

Ja, es war vorhersehbar. Und die Blogrebellen haben es in ihrem Text eigentlich schon perfekt auf den Punkt gebracht: „Zweifelsfrei superdeutsch ist definitiv die absolute Vorhersehbarkeit der deutschen Medienlandschaft: Von Osnabrücker Zeitung über die Vice, bis zu, ja, bis zu uns.“ So unvorhersehbar die Eskapaden Böhmermanns sind, so vorhersehbar sind doch die Reaktionen darauf; immer nach dem selben Muster von One Love, Hype, kritischem Hinterfragen, gefolgt von vehementer Konterrevolution – oder wie auch immer man das im Fall eines TV-Entertainers nennen mag, abgerundet durch Metametameta-Analysen und -Diskussionen. Das war bei Varoufake partiell so, das war beim Ritt durch die deutsche Rapgeschichte mit Dendemann verstärkt so, das wurde zum ehernen Prinzip beim Poliz1stensohn und hat nun auch den Diskurs um BE DEUTSCH ergriffen. Und während ich diese Zeilen tippe melden sich auch schon die ersten Stimmen zu Wort, die Böhmermanns aus der ZDF-Mediathek gelöschtes Erdogan-Gedicht so überhaupt nicht lustig finden und sich über den kalkulierten Eklat ärgern…oder amüsieren… oder reflektieren, was dies über den Jan, seine Kritiker oder die deutsche Medienlandschaft aussagt. Same Procedure as last year? Same procedure as every year.

Dabei sind sich – und das kann an dieser Stelle ruhig mal festgehalten werden – vom Fangirl bis zur Kritikerin alle einig: Böhmermann hat es irgendwie raus, weiß trotz TV-Herkunft einfach, wie man auch im Internet virale Hypes entfacht und die Klickmaschinerie anwirft. Ansonsten ist beurteilungstechnisch alles drin: Vom albernen Pennälerhumor, über arroganten Abiturientenschnösel bis hin zum genuinen Anarcho und legitimen Schlingensief-Nachfolger. Böhmermann kriegt immer die Rolle übergestülpt, die dem jeweiligen Kritiker am besten passt, und ja – Achtung, Allgemeinplatz! – natürlich sagt diese Kategorisierung meist mehr über die jeweiligen Kritiker aus als über Böhmermann selbst.

Also, wie verhält es sich damit im Fall von BE DEUTSCH? Die Diskussion lässt sich derzeit sehr schön in die Pole „Großartige satirische Auseinandersetzung mit der deutschen Frage im 21. Jahrhundert“ und „Primitiver linker Wohlfühlpatriotismus mit unangenehm stolzem Zeigefinger“ auseinanderklamüsern. Dazwischen tummeln sich noch die, die wieder einmal die Ambivalenz des gezeigten interpretieren, bzw. diese Ambivalenz hinein- und mMn. auch überinterpretieren. Und natürlich auch diejenigen, die nicht müde werden, zu betonen, wie platt und selbstgerecht der Verfassungs- und Diversitypatriotismus, der hier besungen wird, doch sei. Um den Elefanten gleich mal aus dem Raum zu schaffen: Ja, natürlich ist BE DEUTSCH platt. Viel platter geht es eigentlich gar nicht. Allem linksliberalen, humanistischen Ethos zum Trotz wird hier knallhart die (Volks-)Gemeinschaft besungen, ohne großes Augenzwinkern wird ein wundervoll simples „Wir gegen Die“-Aufgebaut, bei dem den Pegidisten und AFD-Wählern ordentlich die Lügenkresse gezupft wird (Transparency-Einschub: Hatte kurz überlegt an der Stelle „in die Lügenfressen getreten wird“ zu schreiben).

Und wisst ihr was, ihr linksliberalen PC’ler, Gut- und Bessermenschen (zu denen ich mich auch zähle)? Wir sollten genau dafür dankbar sein. Genau das ist es, nämlich was der Diskurs derzeit braucht… von unserer Seite. Plattheiten, Feindbilder, Simplifizierungen, Komplexitätsreduktionen und völkische Gemeinschaftsbekundungen gibt es auf der anderen Seite schon mehr als genug. Die Rechten treiben den Diskurs gerade so vor sich her, weil sie es perfekt beherrschen auf der Klaviatur des Gemeinschaftsgefühls zu spielen („Wir sind das Volk!“), weil sie perfekte Feindbilder aufbauen („Wirtschaftsflüchtlinge“, „Lügenpresse“, „Linksversiffte Gutmenschen“) und sich so wunderbar in ihrer eigenen Wahnwelt einnisten können. Und mit Didaktik, Pädagogik, Diskursbereitschaft, aber auch mit den scheinbar von oben herabgesprochenen „Pack“-Vorwürfen kriegen wir sie da nicht raus.

Böhmermann indes macht es genau richtig: Er erhebt nicht den Zeigefinger sondern reckt die Faust, er reagiert auf die Schlechtmenschen nicht mit Betroffenheit und einem (inhaltlich natürlich richtigen) Fingerzeig Richtung Faschismus und Nationalismus… nö, Böhmermann zieht sich die Rammstein’sche Ledermontur an und bläst zum Volkssturm der Anständigen. Und zwar mit allem, was dazu gehört: Nicht nur Augenzwinkern und Klischee-Dropping, sondern auch mit großem Pathos, stolzgeschwellter Brust und ätzendem Humor, der ordentlich zutritt mit der Feststellung: Wir sind die Coolen. Wir sind die Witzigen. Wir sind die Starken. Und ihr Pegidioten seid die Memmen und Loser. Dieses Narrativ kann gar nicht hoch genug bewertet werden. Wer das Video zu BE DEUTSCH einmal gesehen hat, für den sollte es eigentlich keine Frage mehr sein, auf wessen Seite er im aktuellen Diskurs stehen will. Und diese Eindimensionalität, mit der Böhmermann sein linksliberales DEUTSCH gegen das rechte Deppendeutsch in Stellung bringt dürfte somit auch weitaus mehr Sprengkraft in der Diskussion haben als jedes noch so mahnende, differenzierte Auseinandernehmen der Argumente der Gegenseite.

Böhmermann schert sich hier nämlich gerade nicht um große Ambiguitäten. Es geht darum, was richtig ist und was falsch ist; es geht darum, welche Gesellschaftsform zu präferieren und welche niederzuschmettern ist. Und dieser Inhalt wird mit der gröbstmöglichen Verkürzung und mit der simpelstgewaltigen Veranschaulichung die möglich ist nach vorne geprescht. Das ist BILD-Niveau! Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, das ist Ken FM Niveau, das ist Compact-Niveau, das ist Pegida-Niveau… nur in diesem Fall halt von der richtigen Seite. Eine maximalmögliche rhetorische, ästhetische, narrative Anpassung an den Feind bei gleichzeitiger inhaltlicher Kompromisslosigkeit. Mit einem eindeutigen JA zu Freiheit, Diversity, Multikulti und allem was dazu gehört… und damit wird der Feind niedergetrampelt. Ja, diese Kriegsrhetorik kann an der Stelle ruhig stehen bleiben, denn so ein kleiner Kulturkampf tobt schon da draußen und die Vernunft kommt an vielen Stellen in diesem Gemetzel einfach nicht weiter.

Mit BE DEUTSCH umarmt Böhmermann die Unvernunft und schlägt sie den Feinden der freiheitlichen demokratischen Ordnung und Mitmenschlichkeit geradezu um die Ohren. Das ist der linksliberale Radikalismus, der in der Debatte viel zu oft fehlt. Und wahrscheinlich braucht der genau die Zutaten, die BE DEUTSCH aufweist; inklusive Nationalfarben, Rammstein-Getöse und atavistischem Gebrüll. Klar, ein Augenzwinkern hat der Scheiß auch noch im Gepäck, das ist aber im Moment zu vernachlässigen. Böhmermann hat mit einem knallharten „Wir gegen Die“ zu einem Gegenschlag ausgeholt, von dessen Form sich auch so mancher Punker, Antifa-Kämpfer und Gegen-Rechts-Aktivist eine Scheibe abschneiden kann (ohne deren Arbeit an dieser Stelle abwerten zu wollen. Ganz im Gegenteil, gerade in unserer Zeit sind die allesamt mehr als notwendig!). Und nebenbei hat er auch noch das unterhaltsamste Stück deutsche Comedy und Musik seit – ja, sorry, isso – „Isch hab Polizei“ herausgebracht. Hater gonna hate. Weiter so Jan. Wenn du Deutschland nicht rettest, wer dann?

Bands/Künstler_Innen: Jan Böhmermann, | Genres: Alternative Metal, | Jahrzehnt: 2010er,


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