Verwobene Gesänge, verschrobene Klänge – CocoRosies neues Album "Grey Oceans"

Sie waren schon immer offen für allerlei Musikstile und Genres… CocoRosie die beiden Schwestern aus Frankreich. Das hat sich auch auf ihrem aktuellen Album Grey Oceans (vö: 10.05.) nicht geändert. Ganz im Gegenteil: Mehr denn je schrauben sie die folkigen Pop-Sounds zurück und widmen sich experimentellen, verschrobenen Klangfeldern. Dennoch geht es hier alles andere als stillos zur Sache. Wo andere Bands Schicht auf Schicht legen würden, blitzt bei CocoRosie trotz aller Experimentierfreude immer ein Hang zum raffinierten Nebeneinanderstellen auf. Dieses Konzept äußert sich bei Grey Ocean vor allem im Spiel mit den Kontrasten und Gegensätzen. Hell und dunkel, zurückhaltend und schrill, apokalyptisch und optimistisch, melancholisch und lebenslustig… Wie sich in den einzelnen Songs die Stimmen der Schwestern abwechseln, wechseln auch die Stimmungen und Stile…

So darf der Opener „Trinity’s Crying“ in melancholischem Ambiente baden und gleichzeitig ungeniert zu Björk hinüberschielen, während „Hopscotch“ munter zwischen nostalgischen Variété-Klängen und düsteren 80er Electronica pendelt. „Smokey Taboo“ mal souliger Pop mal verschrobener Klangkosmos aalt sich ebenso in seiner Vielschichtigkeit wie das fast schon sakral anmutende „Undertaker“, dessen dunkler Choral von schwermütigem Folk zerschnitten wird. Das Spielerisch, Eklektische haben CocoRosie nicht verloren. Mehr denn je steht es im Dienste einer ambivalenten, mitunter gar unheimlichen dissoziativen Gesamtatmosphäre. Diese weckt mit ihrem ganzen Habitus Erinnerungen an die Decadence und das Fin de siecle des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sprich: Schwarze, morbide Prophezeiungen treffen auf dandyhafte Lebensfreude, Absynth vermischt sich mit dem Geruch von Schwefel, und das Kuriositätenkabinett stellt sein Zelt direkt neben dem Zirkus und der verrauchten Bar auf. Man denkt an Weltuntergänge, lauscht vollmondnächtigen Prophezeiungen und versinkt in einer eigenartigen postapokalyptischen Melancholie, nur um kurz darauf ausschweifendem Hedonismus zu frönen.

Etwas ungreifbares, mysteriöses schwebt dabei über dem gesamten musikalischen Geschehen. Die Aufstockung der Band zum Trio (Der französische Jazzpianist Gael Rakotondrabe ist zu den beiden Schwestern gestoßen) macht sich mehr als bezahlt. Dieser darf Songs wie „The moon asked the crow“ dezent mit jazzigen Klängen aufwerten, epische Piano-Klangfelder durch die Stücke fließen lassen und somit als Bindeglied zwischen den ambivalenten, wechselnden Parts der beiden Schwestern fungieren. „Grey Oceans“ ist introspektiv und expressiv zu gleichen Teilen. Es flimmert, flirrt, schwimmt in seinen eigenen Träumen und reißt den Hörer sanft hinunter. Ohne jemals aufdringlich oder aggressiv zu sein, gelingt es dem Trio perfekt sein Publikum zu umgarnen und in die eigene skurrile, verschrobene und romantische Welt hineinzuziehen: Halb zog es ihn halb sank er ihn… ein abermals faszinierender, verspielter hypnotischer Trip.

Bands/Künstler_Innen: CocoRosie, | Genres: Art Pop, Indie, Pop, |


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