In the Fishtank I: Nomeansno (1997)

NoMeansNo sind die ersten, die sich freiwillig in die Fishtank-Gefangenschaft begeben haben: Ein Studio, zwei Tage Zeit, bedingungslose Narrenfreiheit, und das Ergebnis auf eine gerade mal knapp 25minütige EP gebannt. NoMeansNo nutzen den Studioaufenthalt, um einige ihrer Songs neu einzuspielen. Die Variationen der bekannten Stücke halten sich dabei zwar  mitunter in Grenzen, zeigen gleichzeitig jedoch perfekt komprimiert die Vielfältigkeit der verrückten progressiven Punk-Kapelle. Ob  diese sich im Aquarium wirklich wohlfühlt, darf jedoch gleich zu Beginn der ersten Fishtank-EP erst einmal bezweifelt werden. „Help Us, please!“ intonieren die kanadische Hardcore-Recken im Eröffnungsstück und das mantrisch ausgereizte „Would we be alive“ (Ein Residents-Cover) von Rob Wright und Tom Holliston klingt, als müssten die musikalischen Dissidenten so schnell wie möglich aus dem Gefängnis des Tonstudios gerettet werden.

Gott sei Dank findet diese Hilflosigkeit nur auf lyrischer Ebene statt. Denn musikalisch gesehen, stehen NoMeansNo genau da, wo man sie sich als Crossover-Fan nur hinwünschen kann: Funkige  Bässe, spleenige, ideenreiche Vocals, die zwischen träge schwermütig, verspielt und aggressiv im Dreieck hüpfen, sowie ein ordentliches Gitarrenbrett, lassen die erste Fishtank-Veröffentlichung gleich zu einem satten Statement werden. Ja, wir befinden uns im Jahre 1997 und Crossover ist (noch) nicht tot… Im selben Jahr sollten Faith No More ihr letztes Studioalbum „Album of the year“ veröffentlichen und dem klassischen Querüber von Rock, Funk und Metal damit einen Gedenkstein setzen, kurz bevor der NuMetal die klassische Genremixtur durch Industrial- und Popeinflüsse (z)ersetzte. Dieses letzte Aufbäumen des Genres manifestiert sich ebenso in NoMeansNo Fishtank-Impressionen.

Klar erinnert das an Mike Patton und seine Mannen, sind NoMeansNo doch von einer ähnlichen Mentalität geleitet. In den Song darf, was gefällig ist. Genregrenzen existieren nur auf den Papier. Hardcore darf auch gerne mit Funk, Metal, Alternativerock und klassischem Punk kombiniert werden. Da wird noch richtig testosteronschwanger gebrüllt, ohne das dies peinlich wirkt (The river). Und da das Ganze ein spaßiges Experiment ist, zerreißen wüste Gitarren auch mal  im Vorbeigehen anklingende Choräle, um nebenbei fast schon polkataugliche Rhythmen auszuspeien (Joy). Ein bisschen Soutern Rock gefällig? Warum nicht… was passt, passt. Und was nicht passt, wird eben passend gemacht. Selbst Rhythmen, die dem Krautrock zur Ehre gereichen würden, dürfen da nicht fehlen. Natürlich ist es müßig, bei einer Band, die ohnehin für Grenzsprengungen steht, darüber zu philosophieren, inwiefern ihr musikalischer Horizont bei einem solchen Projekt erweitert wird. Schade, dass No means No sich dabei ein bisschen zu sehr auf  ihr (zugegeben, ohnehin schon grenzenlos offenes) bekanntes Material verlassen. Dennoch legen sie damit nicht nur einen beeindruckenden Auftakt für die Reihe hin, sondern darüber hinaus auch eine 1A-Hardcorescheibe. Nicht nur NoMeansNo-Fans, sondern generell alle wehmütig nostalgischen Crossover-Liebhaber sollten zugreifen.

Bands/Künstler_Innen: Nomeansno, | Genres: Crossover, Hardcore, Punkrock, Rock, | Jahrzehnt: 1990er,


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