Yin und Yang der Toten – …And you will know us by the Trail of Dead – Tao of the Dead

Es kann an dieser Stelle ruhig nochmal gesagt werden: Das neue Album von …And you will know us by the Trail of Dead kann man nicht nur wunderbar in einem Rutsch hören, sondern auch in einer formvollendeten Endlosschleife, in der der epische 16Minuten-Rausschmeißer fließend in den Opener übergeht. Alles befindet sich im Fluß, in einem atemberaubenden Sog, in einem geschlossenen Kreis, der dem ambitionierten, universellen Titel – und dem obskuren Coverartwork – mehr als gerecht wird. Ist ja bei einem Trail of Dead Album mittlerweile durchaus üblich. Keineswegs aber bei einem wilden, tanzbaren Rock N Roll Album. Insofern wieder einmal: Chapeau ihr lieben Texaner: Progressive, epische Klangkunst und derben, rotzigen Alternative Rock wunderbar vereint.

Aber nochmal von vorne… und ruhig Blut. Auch wenn das bei dem – Achtung Musikrezensions Klischee – beachtlichen Wall of Sound von „Tao of the Dead“ alles andere als leicht ist. Denn dieses gottverdammte Album lebt, atmet, treibt und blutet… Schweiß und Tränen und noch mehr. Die Rückkehr zum lauten, harten Rock haben „Trail of Dead“ ja schon bei der letzten Veröffentlichung „The century of self“ gefeiert, nachdem der Indie-Pop von „World’s Apart“ und der Beatleske Anstrich von „So divided“ doch etwas brav und zahnlos daherkamen. Auf „Tao of the Dead“ üben sich ToD wie bereits beim Vorgänger darin, die wilden 90er mit den eingängigen und vor allem epischen 00ern zu kreuzen. Und überraschenderweise gelingt ihnen das dieses Mal so gut wie nie zuvor. Wo der Vorgänger noch einem kleinen Befreiungsschlag gleichkam, muss „Tao of the Dead“ nicht mehr um sich schlagen um angriffslustig und erhaben zu klingen.

Das beginnt schon mit dem verschleppten Spannungsaufbau des ToD-klassischen Openers, der mit großer Spielfreude in die folgende saubere Indierocknummer übergeht. Lebensfroh, bombastisch und fast schon sommerlich klingt das eingängige „Pure Radio Cosplay“, so als sollten die Beach Boys hier mit Kettensägen ausgerüstet werden. Ja, wieder einmal taumeln Trail of Dead im Veitstanz mit ihren musikalischen Vorbildern und betreiben dabei lautstarke Genremashups und Genredekonstruktionen: Punk trifft Rock trifft Metal trifft zaghafte Elektronikelemente trifft… ja was denn alles noch? In einigen der ruhigen Abschnitten scheinen gar Krautrock-Reminiszenzen durchzublitzen und zwar nicht in vulgärem, musikhistorischen Narzissmus wie bei vielen Neoprog-Epigonen sondern einträchtig organisch in die wüsten Songs eingebettet. Denn bei aller Verspieltheit und progressiver Hingabe stehen bei den Texanern die Songs im Mittelpunkt. Sie fügen sich, ziehen sich und binden sich in den Gesamtsog des Albums, ohne Frage. Aber sie entziehen sich auch diesem und stehen so als einzelne, höllische Songmonolithen da.

Und so darf auch mal wie in klassischen Hardcore-Zeiten geshoutet werden, mit ordentlicher Melodicore-Schlagseite versteht sich. Und ein paar urige Classic Rock Reminiszenzen sind auch nie fehl am Platze, vor allem wenn der zugehörige, obligatorische Pathos derart breitbeinig nach vorne rockt. Bei derartiger Konzentration auf den „Spaß“ am Rocken mag das subversive Moment von „The Century of Self“ – und noch mehr von den 90er Krachern – ein wenig verloren gehen, dafür ist der Eklektizismus der vergangenen Alben aber umso mehr bei einer wunderschönen Quintessenz zwischen Pop, Pathos und Punk angekommen. Gerade in epischen, postrockigen Stücken wie „Fall of the Empire“ zeigen Trail of Dead wie selten zuvor ihre Stärke mit einfachen Mitteln gigantische Soundpaläste zu errichten, nur um sie kurz darauf zum Einsturz zu bringen. Jede Atmosphäre trägt das Versprechen ihres Niedergangs in sich und wenn bei „Spiral Jetty“ Pink Floyds und 80er Neoprogs um die Ecke blinzeln, ist klar, dass das nächste Lospreschen schon kurz bevorsteht…. Und keine Sorge: Egal wie es zieht und treibt und in seinem eigenen Sog schwelgt, der Spaß kommt, und eigentlich nie zu kurz.

Bleibt die Frage nach der Einordnung: Tao of the Dead ist erhabener als der wüste Befreiungsschlag von 2009, weitaus stärker und dichter als die 00er Werke „Worlds Apart“ und „So divided“, aber bei den Qualitäten ihrer Hochzeiten sind Trail of Dead noch nicht ganz angekommen. Immer noch stehen Madonna und „Source Tags & Codes“ als scheinbar uneinholbare Albenmonolithen einsam am Horizont. Aber so nah waren Trail of Dead noch nie dran, vorangegangene Glanztaten zu wiederholen, wenn nicht gar zu überholen. Und spätestens wenn dann im letzten Track noch einmal 16 Minuten lang ein unfassbar dichtes, monumentales Progrock/Noise/Punk-Epos abgezogen wird, kann man nur noch ehrfurchtsvoll vor der Anlage knien… „And you will know us by…“ – Scheiße, ja! Auch dieser Trip wird nicht so schnell vergessen.

Bands/Künstler_Innen: ...And You Will Know Us by the Trail of Dead, | Genres: Alternative Rock, Art Rock, Rock, | Jahrzehnt: 2010er,


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