Hörenswertes: Februar 2011 (II) – Faust, Julia Hülsmann, Rainald Grebe

Einen kleinen Februarnachschlag haben wir noch: Die Hamburger Faust Formation erfreut wieder einmal mit solidem Krautrock zwischen Noise und Industrialsounds, Julia Hülsmann stellt erneut unter Beweis, warum sie zu den größten Jazzpianisten unserer Zeit gehört, und Liedermacher/Kabarettist Rainald Grebe ist mittlerweile mit dem Orchester der Versöhnung unterwegs.

Faust – Something Dirty

(Burerau B, 28.1.2011)

Das Schöne am Faust-Split ist ja, dass man noch regelmäßiger als bei anderen Bands von Neuveröffentlichungen heimgesucht wird. An für sich erst einmal ne feine Sache. Nachdem Irmlers Faust mit Faust is Last wirklich einen faszinierenden Kraut/Postrockzwitter vorgelegt haben, liegt es nun an den Hamburgern Peron und Diermeier es ihm nach zu tun. Und um die Sache gleich auf den Tisch zu hauen… nein, an Irmlers Meisterwerk kommt die neuste Noise-Extraktion des Faustschen Sound nicht heran. Allerdings waren Faust 2 (oder 1, je nach Standpunkt) qualitativ nie näher an den kreativen Ergüssen aus dem Irmler-Haushalt.  Wie auch auf den letzten Veröffentlichungen experimentieren diese Faust weniger mit Postrock und anderen aktuellen Musikströmungen als viel mehr mit – mal hymnischen, mal dissonanten – Industrialsounds der 80er und 90er. Originell ist das nicht gerade und manchmal auch etwas zu selbstverliebt, zu eskapistisch und bemüht avantgardistisch. Funktioniert trotzdem nach wie vor als gediegene, düstere und teilweise hypnotische Anti-Ambientmusik zwischen Krautrock, Electro und postmodernem, eleganten Noise.

Julia Hülsmann Trio – Imprint

(Universal, 4.2.2011)

Wenn es um großartigen, entspannten und zugleich hochpoetischen Pianojazz geht, kommt man derzeit an Julia Hülsmann nicht vorbei. Mit Imprint legt sie nun ihre dritte „Trio-Veröffentlichung“ vor und diese hat es wie schon die Vorgänger – und ihre anderen spannenden Werke – in sich. Eine faszinerende Reise in die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten des Jazz ist Imprint geworden: Mal entspannt zurückgelehnt, in loungigem Cool Jazz badend, dann wieder treibend, frei improvisiert, unkonventionell und verspielt. In jedem Moment aber ungemein elegant und fließend. Hülsmann gelingt es eklektisch zu arbeiten, ohne dass ihre feinen, homogenen Kompositionen jemals nach Eklektizismus klingen. Sie schafft es Augenblicke in Noten zu bannen und diese zeitlos erstrahlen zu lassen. Das Ergebnis sind wunderschöne, in sich selbst ruhende Lieder, die trotz Verspieltheit immer zu ihrem wesentlichen Kern finden. Ein dichtes, komplexes und vielschichtiges Werk, das den geduldigen Hörern mit Momenten atemberaubender Schönheit belohnt.

Rainald Grebe & Das Orchester der Versöhnung

(Versöhnungsrecords, 4.2.2011)

Während seiner Karriere als kabarettistischer Musiker hat Rainald Grebe sukzessive aufgestockt. Aus der minimalistischen Soloperformance wurde ein gigantomanisches Abschiedskonzert, aus der Klavierbegleitung in Eigenregie wurde eine ganze Band und aus den kurzen kryptischen Texten wurde schließlich ein Roman, irgendwo zwischen Joyce und Verne. Da ist es nur konsequent, dass jetzt weiter gestapelt wird. Aus der Kapelle der Versöhnung wird das Orchester der Versöhnung, und passend dazu auch gleich ein (das mittlerweile dritte) selbstbetiteltes Album. Vom Minimalismus zum Pop zum Pomp also? Keine Sorge, trotz des opulenten Namens ist doch ziemlich viel beim alten geblieben. Das Orchester der Versöhnung untermalt Grebes satirischen und grotesken Songs mit elegantem Poprock, der nur ab und zu von symphonischen Einschüben gebrochen wird. Ohnehin zählen hier wie immer Grebes schräger Gesang und seine Texte. Und diese sind wieder einmal gelungenes Grebe-Material: Zwischen Dada und Gaga, absurdem Anspruch, Infantilität und feingeistiger Gesellschaftskritik. Zynisch, bissig und oft genug urkomisch. Das reicht zwar wie schon die Outputs zuvor nicht an die Solostücke heran, ist aber immer noch sehr gefälliger, lyrisch genialer Kabarettpop. Fans der Kapelle der Versöhnung dürfen bedenkenlos zugreifen. Wir weinen dem einsamen, minimalistischen und anarchischen Alleinunterhalter Grebe aber weiterhin mindestens eine Träne nach.

Bands/Künstler_Innen: Faust, Julia Hülsmann, Rainald Grebe, | Genres: Jazz, Krautrock, Noise, Singer/Songwriter, | Jahrzehnt: 2010er,


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