Die besten Death Metal Alben der 90er Jahre I

Tja, dem Thrash Metal ist der Übergang  in die 90er Jahre und die schrittweise Modernisierung vorzüglich gelungen. Bei einem flüchtigen Blick auf das „extreme“ Genre des Death Metal könnte man schnell, allzu schnell, gewillt sein, diesem genau das Gegenteil zu attestieren. Die Pioniere des Genres wie Posessed, Slaughter oder Celtic Frost hatten in den 90ern Sendepause, neue Bands machten sich relativ rar, und viele Pioniere wanderten zu anderen Metal-Spielarten ab. Aber man findet sie eben doch, auch in den 90ern: Die Todesboten, die das Genre noch nicht beerdigen wollten und es stattdessen mit frischen Sounds zwischen Elektronik, Progressivität und Melodie aufpolierten und das Banner der tödlichen Härte erfolgreich in der Dekade platzierten. Neben den Melodic Deathern (die hier noch einen eigenen Artikel spendiert bekommen), waren es vor allem die Progressoren und Techniker, die dem Death Metal nach den 80ern zu neuem Glanz verhalfen: Carcass, Suffocation, Entombed, Death… ihr Sound gibt sich nicht mit bloßer Härte zufrieden, sondern will auch immer ausfallen, auffallen und neben dem Tod auch so etwas wie Vitalität finden, während Morbid Angel mit ihrem schweren, doomigen Sound tief unter die Erde eines Friedhofs graben. Death Metal: Tiefe Growls, dunkle Landschaften und mechanische  Härte… Die erste Portion gibt es nach dem Klick.

Morbid Angel – Blessed are the Sick

(Earache, 1991)

Mit Altars of Madness (1989), Blessed are the Sick (1991) und Covenant (1993) haben Morbid Angel gleich drei Klassiker des Genres aufgenommen. Warum meine Wahl bei den besten Alben auf Blessed are the Sick fällt? Gute Frage. Allzu sehr unterscheiden sich die drei Werke zwischen klassischem Death Metal, Doom und Epik nicht voneinander. Ganz banal gesagt, liegt es daran, dass ich das 91er Werk am besten kenne und am öftesten gehört habe. Blessed are the Sick ist ein amtlicher Death Metal Brocken, der mal schwer schleppend, mal ordentlich treibend die Gehörgänge seines Publikums weichklopft und anschließend durchflutet. Heftige Riffs, tiefe Basswände und die ungemein markanten Growl-Vocals von Sänger David Vincent sorgen für ein deftiges, derbes Death Metal Gemetzel, das dank symphonischer Interludes und einer gewissen progressiven, epischen Atmosphäre immer wieder geschickt aufgebrochen wird: Düster – mit leicht satanischem Touch versehen – ist Blessed are the Sick ein heftiger Metal-Brocken, der sich in epischer Länge, verflucht homogen über den Hörer wälzt. Genau das Richtige, um hin und wieder Hörgänge und Gehirnwindungen ordentlich durchzuspülen… Danach wird alles gut.

Carcass – Necroticism – Descanting the Insalubrious

(Earache, 1991)

Carcass sind die Schlachter und gleichzeitigen Sezierer des Death Metal Genres und werden es wohl auch immer bleiben: Ihre Gore- und Slaughter-Lyrics verbinden sie mit heftigen Riffattacken und schmerzhaft intensiven Vocals zwischen Grind, Growl und heiseren Todesschreien. Dabei ist es vor allem die Mischung aus traditioneller Metal-Melodik, die auch gerne Abstecher in Heavy-Regionen nimmt, und amtlichem Death Metal Grind-Chaos, die ihr Drittwerk Necroticism – Descanting the Insalubrious so außergewöhnlich werden lässt. Zwischen den dissonanten, brutalen und amelodischen Höllenqualen ist immer noch genug Platz für das nächste fast schon klassische Gitarrensolo, für einen gehörigen Schuss Rock N Roll und amtliche Einflüsse von Core und technisch versierten, komplexen und anspruchsvollen Soundkonstruktionen. Damit wagen sich Carcass immer wieder hinaus aus der Dunkelheit in kalte, weiße, sterile aber eben vor allem auch lichtdurchflutete musikalische Räume und generieren so einen ordentlichen Hybriden aus Schmerz und dessen Überwindung.

Suffocation – Effigy of the Forgotten

(Roadrunner, 1991)

So… mit Suffocation haben wir jetzt wirklich die ausgemachten Eklektiker mit an Bord. Der Sound auf deren Debütalbum „Effigy of the Forgotten“ war dann auch tatsächlich erst einmal so verspielt, dass selbst die versierten Metalheads nicht viel damit anfangen konnten: Zwischen Grindcore, NY Hardcore und technisch verzahntem Death Metal mit leichten Thrash Einflüssen holzen Suffocation alles klein, was ihnen in den Weg kommt. Das Bildnis der Vergessenen ist im Grunde genommen die Quintessenz des Death Metal: Ein destruktives, tötliches und in seiner kalten Mechanik seltsam totes Werk, das nicht nur jenseits lebendiger Musik steht, sondern mit schweren Riffs, atemberaubender Geschwindigkeit und abartigen Vocals sichtlich darum bemüht ist, alles zu töten, was ihm an Lebendigem in die Quere kommt. Vom Rock Hard wurde die Musik dann auch konsequent als „Gehacke pur“ bezeichnet… und nicht weniger ist dieses grandiose Debüt, dass Dank seiner brutalen Technik mittlerweile als Klassiker des Genres gilt.

Entombed – Clandestine

(Earache, 1992)

Wenn wir über die großen eklektischen Klassiker des 90er Jahre Death Metal reden, kommen wir an den skandinavischen Todesboten von Entombed natürlich nicht vorbei. Neben den Melodic Death Metallern von At the Gates sind die Schweden wohl DIE Vertreter der nordeuropäischen Härte der 90er Jahre. Clandestine ist ein technisch höchst komplexer und mit viel Spielfreude vorgetragener Todesstoß. Neben den klassischen Metal-Einflüssen finden wir hier bereits viel Wegweisendes, was den späteren Erfolg des Melodic Death und Metalcore mindestens antizipiert. Dank der Shouts und der vorsichtig eingebundenen Industrial-Passagen ist Clandestine eines der schnellsten, kopmplexesten und vertracktesten Werke, dass der klassische Death Metal je hervorgebracht hat. Aber Death Metal ist es eben trotzdem noch, in jedem dichten Drum-Inferno, in jeder wüsten Gitarren-Attacke, in jedem aggressiven, außerirdischen Schrei, den Nicke Andersson aus seinem mächtigen Organ hervorstoßt. Ein großartiges, bahnbrechendes Werk, ohne das der moderne europäische Metal nie dahin gekommen wäre, wo er heute steht.

Death – Human

(Relativity, 1991)

Einen Klassiker gibt es noch, der nicht unterschlagen werden darf. Death sind so etwas wie die Progressive Pioniere des Death Metal. Seit ihrer Gründung im Jahre 1983 und ihrem wegweisenden Debüt Scream Bloody Gore (1987) lassen sie verschiedene andere Metal-Spielarten in ihre Todesmelodien einfließen. Nachdem sie in den 80ern vor allem mit dem damals noch heißen klassischen Thrash Metal flirteten, entdeckten sie schließlich den Prog, Avantgarde- und Extreme Metal für sich. Auf dem vierten Studioalbum Human bringen sie diese Einflüsse am gekonntesten in ihren klassischen Sound ein, und generieren dadurch ein wahnwitziges, brutales Metal-Werk, das technisch unheimlich versiert und komplex nach vorne rockt. Da dürfen mitunter sogar Free Jazz Anleihen, vertrackte und komplizierte Interludes und mechanische Experimente den harten Sound aufbrechen. Human entzieht sich geschickt seiner eigenen Kategorie, ohne dabei jedoch an Härte und Intensität einzubüßen: Die perfekte Vermählung des technisch anspruchsvollen Progressive Metal (minus den Dream Theater Pathos) mit der extremen Härte des Death Metal, und ohne Zweifel ein Klassiker der postmodernen, harten Musik.

Bands/Künstler_Innen: Carcass, Death, Entombed, Morbid Angel, Suffocation, | Genres: Death Metal, Metal, | Jahrzehnt: 1990er,


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