Eurovision Song Contest 2010… eine ganz ganz kurze Nachlese

Wir wollen uns zurückhalten… Irgendwie freut es uns dann ja auch, dass Lena trotz fehlender BILD-Rückendeckung, trotz unzähliger Lästereien aus dem Heimatland und trotz zahlloser Schwarzmalereien den Eurovision Song Contest 2010 gewonnen hat. Am erstaunlichsten an diesem Abend: Es hat tatsächlich das beste Lied gewonnen. Der gerade mal – nunja – nette Discopopsong „Satellite“ war den restlichen Stücken aus Europa meilenweit überlegen. Das Feld war, wie schon die Jahre zuvor, unfassbar schwach und wirft weder ein repräsentatives noch besonders positives Licht auf die europäische Musikszene. Verloren in einem seltsamen Nimbus zwischen Pop und Schlager präsentierten sich peinliche Boygroup-Retrospektiven (Großbritanniens Josh Dubovie, der zurecht mit einer kläglichen Punktzahl abgestraft wurden), gelackte Semi-Spacerocker (die zumindest hörbaren Vertreter aus der Türkei maNga) und entweder unfassbar peinliche Gaga-Nummern oder sterbenslangweilige Powerpopballaden (das gesamte restliche Feld). Der traurige Höhepunkt war dann auch, als der Zuschauer die grauenhafte spanische Zirkushymne „Algo pequeñito“ von Daniel Diges dank eines durchgeknallten Fans gleich zweimal über sich ergehen lassen musste. Positive Ausnahme war neben dem deutschen Discohit maximal der Vertreter aus Belgien Tom Dice, der gediegenen Songwriter-Folkpop zu präsentieren wusste. Ansonsten musste man sich den gesamten Abend durch schmerzhaft lächerliche Bühnenshows,  uninspirierte Sediernummern, schrecklich gestelzten Pathos und lausige Schlagerpopsongs quälen.

Das spannendste ist dann ja ohnehin immer der Poll am Ende… auch dieses Mal, obwohl schon ziemlich früh feststand, dass Lena und ihr Mentor Stefan Raab sich das Heft nicht mehr aus der Hand nehmen ließen. Und ja! Lena hat verdient gewonnen, war am besten an diesem Abend (auch wenn das bei diesem Feld eher weniger aussagekräftig ist). Gewohnt routiniert unroutiniert und damit äußerst sympathisch sang sie ihr (wohl bald im Nervfaktor erheblich wachsendes) Satelitte und abgesehen davon, dass sie während der Performance hin und wieder das Atmen vergaß, machte es auch dieses Mal Spaß der sympathischen Hannoveranerin beim Authentisch Sein zuzuschauen. Erst Recht nachdem ihr Auftritt beendet war und sie erst zitternd und fassungslos auf dem Sofa saß, um später nach dem Sieg zitternd und fassungslos auf der Bühne zu stehen. Da passte es natürlich perfekt, dass sie auch nach Ende der Veranstaltung in den Abspann hinein einfach weiterquatschte, mal wieder nicht wusste, was sie als nächstes tun sollte, sich davon die Laune am Reden aber nicht nehmen ließ. Sogar ihr Englisch war gewohnt hilflos, sowohl in Aussprache als auch Syntax, was sich in dem mageren Votingergebnis aus dem Königreich widerspiegelte. Aber sonst mochten sie alle: Die Zuschauer, die Moderatoren, die mit Verlauten der Voting-Ergebnisse auch gleich Küsschen mitschickten und sogar der norwegische Moderator, der mit seiner schelmigen – genauer gesagt dreisten – Art gegen Ende beinahe eine Backpfeife von Frau Landrut kassiert hätte. Aber diese war dann wohl – so wie der Rest Deutschlands – zu sehr im Freudentaumel, um sich den Abend durch alberne Infantilitäten vermiesen zu lassen…

Nächstes Jahr dann also wahrscheinlich in Berlin (Die Hamburger haben beim public viewing nicht gerade für sich geworben). Man darf gespannt sein, ob Raabs kommender Kandidat das Feld ähnlich aufmischen kann. Vielleicht darf aber auch einfach gehofft werden, dass der nächste Vertreter aus Deutschland die Punkte nicht nur kassiert, weil die restlichen Kandidaten Schlager aus dem Pop-Gruselkabinett liefern, sondern weil er tatsächlich ein originäres, hochklassiges Lied am Start hat. Bis dahin freuen wir uns vollkommen unzynisch mit der bezaubernden Lena und freuen uns bereits auf Satellite-Dauerbeschallung, die solange an unseren Nervenkostümen zerren wird, bis wir wehmütig an die selige Zeit zurückdenken, in der es noch hieß: Germany – 0 Points.

| Genres: Pop, Schlager, | Jahrzehnt: 2010er,


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