Alleinunterhalter-Rant: Zur Hölle mit den Hochzeitsmusikern!

Ich war ja vor zwei Wochen in der guten alten Heimat auf einer Hochzeit… und irgendwie habe ich nach wie vor nicht den Schmerz überwunden, den ich an diesem Tag erleiden musste. Nein, dasbetrifft weder den katholischen Ritus, den ich mit einem Augenzwinkern und leicht nostalgischen Gefühlen gut überstanden habe. Es betrifft auch nicht das restliche Zeremoniell: Weißes Brautkleid, Blumenwurf, Kalt-warmes Buffet und Walzertanz. Das sind alles Dinge, mit denen ich klar komme. Wer’s braucht. Ich bräuchte es nicht, kann das ganze traditionelle Brimborium aber recht gut ertragen. Nein, was an diesem Tag wirklich unerträglich war, mir abwechselnd Angstschweiß, Schamesröte und schmerzhaft zusammengekniffene Augen ins Gesicht getrieben hat, war die musikalische Untermalung der Feier. Für diese war niemand anderes als ein Alleinunterhalter verantwortlich und dementsprechend bin  ich gleich mehrmals am Abend innerlich verblutet.

Alleinunterhalter… ihr wisst schon. Meistens eine Person (meistens männlich) mit ihrem Spielgerät. Die Künstler dieser Spezies hören auf schillernde Namen wie „Harry Hacker“, „Paul De Green“ oder „Ronny und sein Soloorchester“ und machen musikalisch das, was sie am besten können… nichts. Oder fast nichts, um diesem schrecklichen Prinzip der musikalischen Einfalt kein Unrecht anzutun. Im Prinzip sind ja auch weniger die Musiker für die tonalen Verbrechen des jeweiligen Abends verantwortlich als viel mehr ihre Instrumente. High Tech Keyboards, die zahllose Midi-Stücke an Bord haben und diese munter abspielen, während der gebuchte Musiker (vielleicht nicht einmal so schlecht) mitsingt und die zehn geschichteten Instrumente aus der Konserve mit mehreren Fingern E-Piano-Spiel begleitet. Diese Typen spielen dann Hits der 60er bis heute, manchmal auch die Megahits von damals und heute, oder alles von Oldies bis zu den aktuellen Charts. Ist aber auch scheißegal, weil wirklich alles, alles was aus der Midi-Konserve kommt, gleich klingt. Nichts gegen gut gemachte Coverversionen, aber wenn Be my Baby ebenso wie Pokerface oder Smoke on the water (Standardrepertorie) einmal durch den Handysound-Mixer vergewaltigt wurden, kann man diesen Stücken weder Herkunft, noch zeitlichen Kontext noch Genrespezifika anhören. Nein, es klingt alles verdammt gleich… und es nervt gewaltig:

Dieser elektronische, dudelige Fahrstuhlschlagerschlaftbittenichtein-Sound, dieses brave musikalische Biedermeierkorsett, ohne Höhen und Tiefen. Alles dudelt einfach nur so vor sich hin, dudelt bis zum Erbrechen und mitunter bekommt man gar nicht mit, dass schon wieder ein neuer Song begonnen hat. Macht aber auch nichts, wenn wirklich alles gleich schlimm, gleich langweilig, gleich konserviert klingt: Irgendwo zwischen Schlager, Synthiedudeleien und Commercial-Untermalung. Irgendwo zwischen niedlichem Kitsch und instrumentaler Einfalt. Sich infam in die Gehörgänge fressend, das Gehirn langsam aufweichend und nichts als blankes gedudeltes Entsetzen zurücklassend. Das ist musikalische Körperverletzung, das ist eine ungeheure Respektlosigkeit vor jedem gecoverten Song (egal ob das Original von Roy Black oder Jim Morrison ist), das ist nichts geringeres als die E-Piano-Hölle.

Ihr schreit auf? Immerhin seien das Entertainer und keine Musiker? Richtig! Aber wenn man nen Entertainer will, warum engagiert man dann keinen: Einen DJ, einen Moderator der Platten auflegt, meinetwegen einen Karaokeexperten, der die Bude zum Kochen bringt. Aber bitte doch nicht so einen halbgaren Pseudomusiker, der zu allem Überfluss hinter dem selbstlaufenden Gerät noch so tut, als würde er hochkompliziert alle Instrumente auf einmal und gleichzeitig bedienen. Ja, ja, ich weiß, das soll Unterhaltungsmusik sein. Aber was bitte ist unterhaltend an kastrierten, reduzierten, billigen Coverversionen ohne Niveau? Spielt die Originale! Stellt meinetwegen eine Jukebox in die Ecke, von mir aus auch einen Mac, der gedankenlos die Playlist runterspielt. Aber greift zu richtigen Songs und nicht zu diesen ramdösigen E-Schlager-Folterinstrumenten. Das spart Nerven und Geld. Und auch ohne einen Live-Sänger kann ein musikalischer Abend verdammt unterhaltsam sein. Und wenns wirklich Live-Musik sein soll… um Himmels willen! Es gibt mehr als genug großartige Bands da draußen, die wirklich gute Live-Musik spielen. Man muss sich eben vorher informieren und nicht den Unterhaltungs-Rolf von der erstbesten ergoogleten Internetseite buchen.

Nennt mich meinetwegen Spielverderber, Nörgler oder sonst was. Das nächste mal, wenn ich auf einer Veranstaltung einen Alleinunterhalter sehe, werde ich mir demonstrativ die Kopfhörer des mitgebrachten MP3-Players aufsetzen oder gleich ganz verschwinden. Kann ja sein, dass manche Menschen bei so etwas Spaß haben, die Musik stirbt jedenfalls jedes Mal ein kleines bisschen mehr wenn die schnell abgefertigten Midi-Sounds die Bude vermeintlich zum toben bringen.

| Genres: Pop, Schlager, |


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