Metal der 90er Jahre: Was sonst noch geschah…

Dass subjektive Genre-Retrospektiven nie vollständig sein können, dürfte eine Binsenwahrheit sein, die ich wohl nicht extra erwähnen muss. Abgesehen von den Alben die ich bei den besten Heavy, Thrash, Death whatever etc pp und so weiter Metal Alben der 90er Jahre nicht genannt habe, weil ich sie schlicht und ergreifend nicht kenne, kommt gerade bei diesem Genre noch der Umstand hinzu, dass es einige Sachen gibt, die ich guten Gewissens ignoriert oder erfolgreich verdrängt habe. Und das betrifft ganze Subgenres… Okay, also beim Black Metal – der mit Sicherheit den ein oder anderen Höhepunkt in den 90ern erlebte – habe ich noch einiges nachzuholen, insofern darf der ein wenig aus der Reihe fallen. Darüber hinaus gibt es aber auch so manche Metal-Nischen, mit denen ich so gut wie gar nichts anfangen kann. Gemeint sind vor allem die mit einem Power, Melodic, True oder Symphonic Präfix… zusätzlich noch vieles von dem, was sich irgendwie Medieval oder mittelalterlich schimpft, und nicht zuletzt die diversen Hartwurst-Ausflüge, neben der NDH primär die ganzen Teutonen Metalgelage. Anyway, auch diese Genres haben in den 90ern stattgefunden. Und dass ich mit ihnen eher wenig anfangen kann, soll mich nicht davon abhalten, zumindest kurz meinen Senf dazu zu geben.

True Metal

Oh weh… da gehts schon los. Sorry, außer Lästereien fällt mir hierzu wirklich nichts ein. Schuld sind natürlich Manowar, diese einzigartige Klischee-Reinkarnation angeführt von Joey DeMaio. Das ganze Konzept des True Metal schreit ja auch geradezu nach heroischem, kindlichem, peinlichem Konservatismus. Habe ich schon erwähnt, dass meine Lieblings-Metalalben der 90er gerade jene waren, die ihre Genregrenzen hinter sich ließen? Das True Metal Prinzip steht dieser musikalischen Präferenz diametral entgegen. Das war schon in den 80ern albern dogmatisch und wurde zu Beginn der 90er angesichts der melodischen, avantgardistischen, anarchischen Genre-Subversionen vollends lächerlich. Musik und Texte hinter den großen Stahlverfechtern gehen mir diesbezüglich auch so ziemlich am Allerwertesten vorbei: Heroes of the Steel, with the Power of the steel, with the honour of the steel…? Bitte!? Gehts noch ein bisschen lächerlicher und faschistoider? Der True Metal ist mit Schuld am schlechten Image, dass der Metal besitzt. Und ich will jetzt nix von Selbstironie und so weiter hören… Selbst mit dieser ist die ganze Chose sowohl musikalisch als auch stilistisch höchstpeinlich.

Vertreter: Manowar, Sacred Steel, Running Wild

Power Metal

Auch so überhaupt nicht meine Metal-Sparte. Der Power Metal war in meinen Augen immer so etwas wie die Pop-Version des traditionellen Heavy Metals: Klassische Gitarrenriffs, Powerchords und vor allem viel symphonisches Brimborium, bis hin zum Epischen. Ein bisschen auch so Heavy Metal für die emotionalen, pathetischen Live Action Rollenspieler. Die Bands jedenfalls sehen oft so aus, als seien sie aus diesem Kosmos entsprungen. Am populärsten dürften – zumindest in Good Old Germany – die Recken von Blind Guardian sein. Und wisst ihr was: Ich finde die Band echt sympathisch, nett und so weiter. Ein wenig Herr der Ringe, ein wenig Metallica und gutes musikalisches Handwerk. Aber die Musik? Brrr… da schüttelt es mich… echt jetzt. Das ist einfach zu viel Pathos, zu viel Fantasy-Kitsch, zu viel Naivität. Selbes Problem mit Hammerfall, Edguy und Konsorten. Geht einfach nicht… auch wenn ich diesen verirrten Fantasy-Zöglingen durchaus ne Menge Sympathie entgegen bringe.

Ein, zwei Ausnahmen gibt es dann doch noch: Die Amerikaner Iced Earth veröffentlichten mit The Dark Saga (1996) und Something Wicked this Way comes (1998) zwei großartige Genre-LPs. Während das Letztere Dank seiner ordentlichen, harten Thrash-Attitüde das bessere Album ist, befindet sich auf der dunklen Saga mit A Question of Heaven eines der besten Metal-Epen der 90er Jahre überhaupt: Perfekt komponiert, majestätisch, gefühlvoll… einfach groß. Allerdings sollte man, bevor man diese Alben abfeiert, doch noch einen Blick auf die politische Schlagseite des Iced Earth Mastermind Jon Schaffer werfen, der – wenn er nicht gerade Power Metal Songs schreibt – gerne bei rechten Gruppierungen mitmarschiert und an Kapitol-Stürmen gegen die Demokratie teilnimmt. Die zweite Ausnahme bildet die deutsche Power Metal Band Grave Digger, die mit der Artus-Saga  – insbesondere Excalibur (1999) drei hervorragende Alben aufgenommen hat, die an der Schnittstelle von Heavy, Power und Folk Metal dunkle Epen darstellen, für deren Genuss man sich echt nicht schämen muss.

Vertreter: Blind Guardian, Hammerfall, Iced Earth, Edguy, Grave Digger, Gamma Ray, Helloween

Symphonic Metal

Was ich von Symphonic Metal halte könnt ihr euch wohl denken. Wenn mir Power Metal schon zu pathetisch ist… Immerhin kann ich den Vertretern dieser europäischen – vor allem italienischen – Pervertierung des Power Metal einen gewissen Respekt nicht absprechen. Der gemeine Symphonic Metal ist mitunter derart Over the Top, dass er schon fast wieder in unterhaltsamen Regionen stattfindet. Mehr Pathos, mehr Breite, mehr Epochalität, mehr von allem. Rhapsody (of fire) stehen natürlich einsam an der Spitze. Ihre Version von Fantasy Hollywood Barock Filmscore Metal klingt als würden Queen zusammen mit Hans Zimmer und Blind Guardian ihre Lieblingsautoren – allen voran Tolkien – vergewaltigen. Ja, das macht dann auch irgendwie Spaß, länger als zehn Minuten kann ich es mir aber nicht geben.

Vertreter: Rhapsody, Nightwish, Kamelot

Mittelalter-Rock

Dem Mittelalter Rock stehe ich dagegen durchaus aufgeschlossen gegenüber. Ich hatte in meiner Jugend sogar eine gar nicht soooo kurze Phase, in der ich Subway to Sally und Konsorten sehr gerne gehört habe. Jetzt kann man natürlich darüber streiten, ob die überhaupt bei Metal einsortiert gehören. Gerade wegen der Hörerüberschneidung und der ähnlichen Attitüde denke ich, dass sie hier durchaus gut aufgehoben sind. Also zurück zur Musik: Subway to Sally… kann man hören. Auf ihren frühen 90er Alben haben sie immer eine ausgewogene Mischung aus schönen, originellen Stücken und ziemlich cheesigen Pathos-Nummern. Dass sie es musikalisch, handwerklich draufhaben steht für mich außer Frage. Und damit können sie mitunter echt großartige Hymnen aus dem Hut zaubern. Also, kurze und knappe Empfehlung: Auch wenn sie von Indie Hörern immer gerne verschmäht werden, auch wenn man sich wunderbar über dieses ganze Mittelalter-Gedöns lustig machen kann, sollte man zumindest einmal Songs wie „Der Vagabund“ oder „Böses Erwachen“ gehört haben. Mit den anderen Bands des Genres dagegen bin ich nie richtig warm geworden. In Extremo sind mir zu bemüht in ihren alt- und mittelhochdeutschen Klängen, Schandmaul zu lahm, Corvus Corax zu Corvus Corax… naja und das wars dann auch schon. Es gibt aber echt schlimmeres an 90er Metal-Subgenres als den Mittelalter-Rock.

Vertreter: Subway to Sally, In Extremo, Corvus Corax, Schandmaul

Neue Deutsche Härte

Ähmmm ja… Schlimmeres als Mittelalter-Rock, ebenfalls aus Deutschland. Mit der Musik der Neuen Deutschen Härte kann ich so ziemlich gar nichts anfangen. Okay, ein paar Rammstein-Lieder sind ganz lustig, Ironie beherrschen die Exportschlager auch… Aber ansonsten? Ooomph! fand ich schon doof als sie noch Underground waren, Die Krupps nähhh, Eisregen uarghhh… und so weiter… Diese aufgesetzte Bösartigkeit, diese monotonen Rhythmen, dieses schauerliche Wanken zwischen Industrial Pop und Metal Pop… nee… sorry… ganz scheußlich. Next Genre Please.

Vertreter: Rammstein, Die Krupps, Eisregen, Oomph!, Weissglut, Letzte Instanz

Black Metal

Tja… viel kann ich zum Black Metal der 90er Jahre nicht sagen. Die ganze Szene ist damals so ziemlich an mir vorbei gegangen. Klar, ich habe auch mal in die nordeuropäischen Vertreter reingehört. Aber weder Darkthrone noch Immortal noch Burzum haben mir viel gegeben. Und die Geschichten um diese ganzen Musikzirkel, angefangen bei brennenden Kirchen bis hin zum Mord an Euronymous 1993 durch den mehr als leicht wirrköpfigen Vikernes von Burzum haben nicht unbedingt dazu beigetragen, dass ich mich für diese Art des Metals erwärmen könnte. Da muss ich gar nicht viel mit dem ganzen NSBM-Scheiss argumentieren. Der Black Metal dieser Zeit hat an sich schon so einen unangenehm totalitären Zug, der sich auch in der Musik widerspiegelt. Da fehlen mir einfach Ironie, das Spiel mit den Grenzen sowie die Lockerheit, die für gute Musik einfach notwendig ist. Vielleicht ist Black Metal in der 90er Jahre Fassung sogar die dogmatischste, angestrengteste und konservativste Form des Metal überhaupt. Okay, Ausnahmen gibt es mit Sicherheit auch, irgendwie konnte ich diese in den 90ern aber noch nicht entdecken… Und ich stehe echt mal auf den Black Metal der 00er Prägung à la Xasthur und Wolves in the Throne Room.

Vertreter: Burzum, Immortal, Darkthrone

So…

Das war sie erst einmal, die 90er Metal Retrospektive, zumindest aus Traditionalistensicht. Dem Nu Metal zum Ende des Jahrzehnts werde ich mich später nochmal ausführlich widmen. Aber jetzt folgen erst einmal andere Genres. Genug der stählernen Riffs. Over and out.

Bands/Künstler_Innen: Blind Guardian, Burzum, Corvus Corax, Darkthrone, Die Krupps, Edguy, Eisregen, Gamma Ray, Grave Digger, Hammerfall, Helloween, Iced Earth, Immortal, In Extremo, Kamelot, Letzte Instanz, Manowar, Nightwish, Oomph!, Rammstein, Rhapsody, Running Wild, Sacred Steel, Schandmaul, Subway to Sally, Weissglut, | Genres: Black Metal, Heavy Metal, Metal, | Jahrzehnt: 1990er,


Ähnliche Artikel