Die besten Death Metal Alben der 90er Jahre II

Nachdem es im ersten Teil der Death Metal Retrospektive um die Auslotung der Grenzen des Genres zwischen Thrash, Hardcore, Progressive und Avantgarde ging, stehen in Teil zwei die klassischeren Alben des Todesstahls im Mittelpunkt. Und bei Death Metal bedeutet das nichts anderes, als dass es hart wird. Mitunter fast unhörbar hart. Und auch immer grenzwertig: Zwischen Friedhofsgatter und Höllenpforten, zwischen Nihilsmus und Misanthropie, zwischen Leichengestank und dämonischer Transzendenz. Tiefe Growls begleiten den Hörer in die Abgründe, schnelle Tempowechsel schütteln ihn durch, High Speed wechselt sich ab mit schleppendem Zombiegang und brutale Vocals zerreißen den Körper. Und über allem thronen der Doublebass, die tiefgestimmten Gitarrenwände und gutturalen Schmerzensschreie. Musik als sadistische Form der Therapie. Mit Sicherheit nicht immer und nicht für jeden bekömmlich, aber mit einem festen und verdienten Platz in der Metal-Geschichte. Deicide, Bolt Thrower, Unleashed, Dismember und Six Feet Under blasen zum musikalische Angriff… und wir gehen nicht in Deckung sondern ergeben uns dem maschinellen, brutal walzenden und blitzschnell zuschlagenden Sound.

Deicide – Deicide

(Roadrunner, 1990)

Auf der Suche nach den Ursprüngen des in den 90ern zeitweise so beliebten, unmenschlichen gutturalen Lauts, der jedes amtliche Death Metal Album vokalisch begleitet, stößt man früher oder später auf das Debütalbum Deicide, dessen bedingungslos tiefen, technisch nachbearbeiteten Groooowl-Vocals des Bassisten Glen Benton stilprägend für den folgenden Death-„Gesang“ der 90er Jahre werden sollten. Aber auch über das unmenschliche Lautkotzen hinaus ist Deicide ein epischer Meilenstein des Genres. Unglaublich schnelle Riffbeschleunigungen, die immer wieder in sich zusammenbrechen, um von einem Tempowechsel zerfetzt zu werden; unmenschliche Töne zwischen heiserem Schreien, tiefen Grunzen und dunklen Beschwörungen, heftige Gitarrensoli und eine satanische, höllische Gesamtatmosphäre generieren einen erschreckenden, dichten, furchteinflößenden und schwarzen Bastard von einem Death Metal Album. Deicide ist nicht von dieser Welt, eher schon aus irgendeiner Höllenpforte, aus einem Fegefeuer entsprungen. Aber…. der wilde Ritt mit den Dämonen funktioniert auch heute noch phänomenal und bietet in seiner Härte eine annähernd transzendentale Karthasis durch die Brutalität des schmerzhaften Klangs.

Bolt Thrower – War Master

(Earache, 1991)

Seltsamerweise gehören Bolt Thrower zu jenen Death Metal Bands, die von dem kurzfristigen Erfolg und Hype um das Genre nie profitieren sollten. Dabei spielen sie nicht nur eine amtliche Mischung aus Death Metal und Grindcore, sondern gehören mit einer gewissen Affinität zu melodischen Momenten, zu geschickten Tempowechseln und rockigen Interludes zu den pontentiell massentauglichen Bands des Genres. Gerade auf Warmaster haben sie ihren vorherigen ordentlichen Grindcore-Anteil ein ganzes Stück zurückgefahren, zu Gunsten von Heavy Metal- Interludes und -Gitarrensoli, tiefen Griffen in die Thrash-Kiste und atmosphärischen, technischen Auflockerungen. Das ist zwar Dank der irren Geschwindigkeitsattacken und tiefen Growls von Sänger Karl Willetts immer noch alles andere als massentauglich, gehört aber trotz der kompromisslosen Härte zu den bekömmlicheren Death Metal Nackenschlägen. Klar, Innovation ist hier nicht viel. Aber in ihrem Genrekorsett sind Bolt Thrower verdammt konsequent, versiert und generieren mit Warmaster eines der stärksten Alben des Genres.

Unleashed – Victory

(EMI, 1995)

Klassische Death Metal Härte funktioniert durchaus auch ohne tiefe Growls, Monsterbässe und abartige Gurgelgeräusche. Clean sind die  Vocals und Soundwände der schwedischen Death Metal-Heroen Unleashed aber auch keineswegs. Staubtrocken ist der von Hardcore und vor allem Thrash Metal beeinflusste dichte und Achterbahn fahrende Sound auf der halbstündigen Schüttelorgie Victory. Dem Riffgewitter folgt der ins Mark gehende Geschwindigkeitswechsel, dem Amoklaufen der Rhythmusfraktion folgt die wüste Vocal-Akrobatik zwischen Shouts und trockenen Spoken (oder besser gesagt screamed) Words, und alles – wirklich alles – scheint in jeder Sekunde möglich. Unleahed sind nicht nur entfesselt sondern auch unberechenbar. Victory ist ein verdammter Dampfhammer, ein ungemein aggressives Bastardwerk an den Grenzen verschiedener extremer Metal-Spielarten. Anders als viele Konkurrenten und Genre-Genossen aus Skandinavien kümmern sich Unleashed weder um symphonische noch melodische Auflockerung und holzen stattdessen aggressiv, verdammt gekonnt und vor allem abwechslungsreich nach vorne. Eines der variationsreichesten, sattesten und verspieltesten Death Metal Werke der 90er Jahre.

Dismember – Like an Ever Flowing Stream

(Nuclear Blast, 1991)

Die Wikinger kommen… Like an Ever Flowing Stream, das Debütalbum der Skandinavier Dismember ist ein brutales Schlachtfest, ein archaisches Epos, das zwischen nordeuropäischen Mystizismus, satanischer Folklore und anarchischer Härte bitterböse nach vorne treibt. Mit seiner kompromisslosen Aggressivität und seinen gnadenlosen Einflüssen aus Punk, Thrash und sogar dem Proto-Black-Metal gilt das Erstwerk von Dismember als eines der wegweisendsten Alben des schwedischen Death Metal überhaupt. Geschickt gelingt es der Band Hymnische Ambitionen in einen fetten, ultraharten Sound zu drücken, so dass jeder Anflug von Pathos bereits im Keim erstickt wird. Und doch ist der ewig fließende Strom opulent, bombastisch, gerade durch seine tiefgreifende Härte, durch seine stählerne Bedingungslosigkeit. Eine Death Metal Offenbarung, ein wilder, chaotischer Ritt in den Geist des Atavismus und eines der großen Metal-Meisterwerke seiner Zeit.

Six Feet Under – Maximum Violence

(Metal Blade, 1999)

Achja, Six Feet Under. Entweder man liebt sie oder man hasst sie. Mit ihren monotonen Düsterriffs und seltenen Tempowechseln, mit ihrem alles nivellierenden Gegrunze und den vollkommen Over The Top stehenden Blood and Gore Lyrics gehören sie mit Sicherheit zu den „kontroversesten“ Bands des Genres: Belächelt, gehasst, geliebt, verabscheut… viele Optionen gibt es nicht, wie man zu ihnen stehen kann. Auch wenn mir ihr variantenloser, eindimensionaler Sound mitunter gehörig auf die Nerven geht, haben sie mit Maximum Violence doch einen kompromisslosen Metal-Hassklumpen geschaffen, der vor allem Dank der Mitarbeit von Chris Barnes (Cannibal Corpse) ordentlich ans Eingemachte geht und die Grundsubstanzen ihres energischen, harten, enervierenden Sounds destilliert: Ein düsteres, ultrahartes Grind-Festival ist das Ergebnis. Das geht nicht immer, ist oft zu viel, zu eindimensional, zu archaisch. Wenn es aber nötig ist, stellt diese vertonte Gewalt ihr ganzes Können unter Beweis: Durchschütteln, zerquetschen, verspeisen, auskotzen… und ehe man sichs versieht, ist man ein neuer Mensch.

Bands/Künstler_Innen: Bolt Thrower, Deicide, Dismember, Six Feet Under, Unleashed, | Genres: Death Metal, Metal, | Jahrzehnt: 1990er,


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