Die besten Hip Hop Alben der 90er Jahre II – Hardcore-Rap

In der vorherigen Bestenliste mit den besten Gangsta-Rap-Alben der 90er Jahre haben wir die Ostküste schon ein wenig gestreift, während die Westcoast deutlich präsenter war. Im Hardcore Hip Hop sieht es nun genau anders rum aus, was vor allem daran liegt, dass die Westcoast tief in die 90er hinein bis zum Ende der Dekade vom G-Funk Dre’scher und Dogg’scher Prägung beeinflusst war. Und das Rezept dieser Spielart des Gangsta-Rap war simpel: Harte Texte von der Straße, mit viel Affirmation für den kriminellen Lifestyle, gepaart mi entspannten Beats und vielen P-Funk-Samples. Der Hardcore Hip Hop ist anders. Auch wenn er sich ähnlichen Themen widmet, so arbeitet er sowohl im Inhalt als auch in der Ausprägung teilweise komplett gegensätzlich. Manche würden sagen, dass Gangsta-Rap ein Subgenre des Hardcore Hip Hop ist, manche würden vielleicht sogar auf die Idee kommen, der Hardcore Rap sei ein Subgenre des Gangsta Hip Hop. Beides stimmt irgendwie nicht so richtig… und so haben wir es hier am ehesten mit musikalischen Geschwistern zu tun. Während Gangsta-Rap sich auf das Individuelle konzentriert, persönliche Geschichten aus dem Ghetto erzählt, beschäftigt sich Hardcore Hip Hop oft mit den universelleren Implikationen, mit der Struktur hinter dem persönlichen Erleben. Wo der Gangsta-Rap oft radikal beim Ich und dessen Bedürfnissen verweilt, ist Hardcore Rap auch politisch, gesellschaftskritisch, umfassender. Die Sounds sind deutlich härter als im G-Funk, aber auch „krasser“ und tiefer als im auch schon düsteren Gangsta-Rap der Ostküste. Und die Grenzen sind natürlich fließend. Die bereits im letzten Artikel erwähnten Mobb Deep könnten ebenso im Hardcore Hip Hop eingeordnet werden, der hier zur Sprache kommende Nas hat viele Anknüpfungspunkte an den Gangsta-Rap. Und dann gibt es auch noch die, die mit den Grundzutaten des Hardcore Hip Hop – Mal minimalistische, mal schnelle, oft harte Beats, düstere Texte, wütende Raps – in ganz andere Genres abwandern, zum Horrorcore, zum Avantgarde und zum Experimental Hip Hop. Und so sei mir das gelegentliche Straucheln beim Balancieren zwischen den Hip Hop Subgenres verziehen. Letzten Endes geht es vor allem um die Klasse der Musik, und die ist in folgender Bestenliste zu Hauf vorhanden. Die besten Hardcore Hip Hop Alben der 90er Jahre; mit viel Wut, viel Toughness, viel Attitüde und verdammt viel Konfrontation.

Public Enemy – Fear of a Black Planet

(Def Ja, 1990)

Public Enemy gehören mit zu den Urvätern des Hardcore Hip Hop und überführen ihren ganz eigenen Sound, der keine Genregrenzen kennt, mit Album Nummer Nummer Drei „Fear of a Black Planet“ erfolgreich in die 90er Jahre. RapperChuck D. und Flavor Flav sowie DJ Terminator X und Producer Professor Griff mischen zahllose Samples mit ebenso politischen wie wütend aufgepeitschten Vocals und zeichnen damit ein düsteres Bild des Amerikas der damaligen Zeit. Wie bereits gesagt, Genregrenzen sind bei Public Enemy eher nebensächlich, haben sie doch mit ihrem Metal/Rap-Hybriden mit Anthrax bereits zwei Jahre vor diesem Album den modernen Crossover vorweggenommen, und auch „Fear of a Black Planet“ entlehnt sich so manches Momentum von anderen musikalischen Gebieten: Da finden wir die Aggressivität des Thrash Metal in harten Vocal-Attacken, die mitunter in atemberaubender Geschwindigkeit vorgetragen werden. Da finden wir die Subversion des Punk Rocks, inklusive einer höllisch anarchischen Attitüde, und da finden wir sogar das Dystopische des Goth und Post Punk… und das alles auf einem musikalischen Fundament, das eindeutig auf die Roots der Band in der Geschichte der schwarzen Musik Amerikas aufbaut: Funk-Samples, Soul-Interludien, Rhythm and Blues, und auch Jazzreferenzen dürfen nicht fehlen. Damit ist „Fear of a Black Planet“ ein musikalisch ungeheuer dichtes, vollgepacktes Album und in gleicher Weise ein politischer, sozialer Aufschrei gegen die strukturellen Ungerechtigkeiten Amerikas. „Burn Hollywood Burn!“ schreit die Gruppe zusammen mit Ice Cube und Big Daddy Kane heraus. Black Cinema Ikone Spike Lee drehte für „Fight the Power“ das Musikvideo; und 2004 wurde das Album vom Library of Congress zum National Recording Registry der essentiellen Alben hinzugefügt. Besser kann man die Größe von „Fear of a Black Planet“ nicht zusammenfassen.

Wu-Tang Clan – Enter the Wu-Tang (36 Chambers)

(Loud, 1993)

Wenn man so richtig gehässig gegen den Eastcoast Rap der 90er Jahre ätzen will, geht dies einfach mit der simplen Feststellung, dass dessen vermeintliche Rohheit und Roughness vor allem daher rührte, dass er sich nicht die Produktion leisten konnte, die die G-Funk Konkurrenz von der Westküste zur damaligen Zeit aufwies. Jepp, Produzent RZA ist kein Dr. Dre, weder was Budget, noch was Equipment, noch was das radikale Abmixen von diversen Funk-Samples betrifft. Braucht er aber auch gar nicht zu sein, denn er besitzt etwas, was jeden Mangel an Equipment wegmacht: Gespür für Atmosphäre, für Düsternis und vor allem für den richtig eingesetzten Minimalismus. Das von ihm produzierte Debüt des Wu-Tang Clans „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ ist eine nackte wie dreckige Monstrosität von einem Album. Das Soundgerüst, auf dem GZA, Method Man, Ghostface Killah et al. ihre Reime raushauen, ist geprägt von einer radikalen Zurückname aller Spielereien, aller Funkyness und aller Partylaune. Stattdessen gibt es knochentrockene Beats, kleine verlorene Soul-Lichtblicke und Samples, die direkt aus dem Exploitation und Midnight Cinema kommen. Dadurch besitzt „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ die Atmosphäre eine knallharten Thrillers, in dem Gewalt und Anarchie knochentrocken vorgetragen werden, in dem Staub und Schmutz über dem gesamten Geschehen liegen, in dem mit wenigen Mitteln eine absurd immersive Atmosphäre erzeugt wird. Zugleich lassen RZA und die anderen Clanmitglieder immer ein markantes Augenzwinkern durchblitzen, Ironie bis zum Zynismus, Verliebtheit ins Bizarre bis zum Surrealismus und Schabernacke bis zum Albernen. „Enter the Wu-Tang (36 Chambers)“ ist extrem stark, gerade wegen seiner durch den Minimalismus erzeugten Schärfe, und auch ohne tausend Spuren und Funk-Samples dann letzten Endes doch deutlich tighter als die überladenen G-Funk Ungetüme der Westküste.

GZA – Liquid Swords

(Geffen, 1995)

Wenn man es wirklich böse mit ihm meint, könnte man GZAs zweitem Soloalbum unterstellen, dass es vor allem more of the same ist. Immerhin Produziert von RZA, mit einer Vermengung von Cineastischem und Urbanen, mit minimalistischen „Low-Budget“-Beats und einer hypnotischen Atmosphäre erinnert hier alles schon verdammt an die Veröffentlichungen des Wu-Tang Clan. Andererseits kann man so auch gut und gerne den Punkt stark machen, dass wir hier wahrscheinlich die beste inoffizielle Wu-Tang Scheibe vor uns haben, ja, was GZA mit Hilfe von RZA und teilweise auch Gostface Killah und Method Man aufs Parkett legt, ist vielleicht sogar der beste Output der Jungs überhaupt… egal ob offiziell oder inoffiziell. Die Atmosphäre ist geradezu berauschend, die Beats sind tight, vermixt zu einem ebenso magischen wie toxischen Gebräu. Liquid Swords ist wie schon Enter the Wu-Tang (36 Chambers) ein immersives Erlebnis, direkt auf der Bühne der Straße und zugleich in einem gigantischen Opernsaal. Wir sind Zuschauer, Zuhörer und sogleich Involvierte. Können uns dieser Mischung nicht entziehen, die wieder einmal beweist, dass nur wenige musikalische Mittel nötig sind, um das Publikum extrem mitzureißen und in eine ganz andere Welt zu entführen.

Nas – Illmatic

(Columbia, 1994)

Wenn es um wegweisenden Hardcore Hip Hop der 90er Jahre geht, dauert es in der Regel nicht lange, bis der Name Nas fällt, dicht gefolgt vom Hinweis auf sein Debütalbum Illmatic. Und in der Tat hat dieser 94er Geniestreich alle Begeisterungsstürme verdient, den er in den Jahren seit seiner Veröffentlichung erhalten hat. Nas ist nicht einfach nur ein weiterer Geschichtenerzähler von der Straße, er ist ein Dichter und Prophet der Apokalypse vor unserer Haustür. Viele Hardcore Rap Alben der 90er Jahre tragen die Wut, die Aggression und das Aufbegehren in sich, die ihren Sound so speziell macht. Nas fügt dem Ganzen noch einen weiteren wesentlichen Baustein hinzu: Die Verzweiflung. Seine musikalischen Gedichte handeln nicht einfach nur vom Kampf ums Überleben, sondern auch von der Verlorenheit der Überlebenden und Sterbenden. Sie sind weder distanziertes Porträt noch affirmative Kriegsmusik, sondern viel mehr eine Mischung aus introspektiver Verarbeitung und absolut immersiver Dramatisierung, die das Publikum so dicht in den New Yorker Hexenkessel bringt wie keine zweite Hip Hop Scheibe. Nas ist ein Poet der Verzweiflung; getrieben von vorwiegend knapp gehaltenen Jazz Samples und einigen minimalistischen Soul-Umspielungen kommt Illmatic produktionstechnisch oft roh, gerne auch monoton und repetitiv daher. Dafür gilt ihm voll und ganz die Konzentration auf die Rapkunst, die sich in diesem Knochengerüst entwickeln kann. Es rauscht über einen her, tut oft weh und lässt so schnell nicht wieder los. Illmatic ist unfassbar einnehmend, verführerisch wie abstoßend, grauenhaft wie künstlerisch umgarnend. Ein Meisterwerk, das auch – gerade retrospektiv betrachtet – seiner Zeit weit voraus scheint und wahrscheinlich wirklich das Beste, was in den 90ern an der Ostküste an Musik entstanden ist.

Cypress Hill – Black Sunday

(Ruffhouse, 1993)

Schon auf ihrem selbstbetitelten Debüt waren Cypress Hill Grenzgänger der Genres. Wenn Cypress Hill selbst auch noch ziemlich eindeutig dem Gangsta-Rap zuzuordnen war, so besaß es doch eine Menge Zutaten anderer Hip Hop Subgenres. Auf Black Sunday führen die Latino-Rapper aus Kalifornien dieses Konzept konsequent weiter und gehören so zu den wenigen originären Westcoast-Rapacts, die sich nicht in G-Funk und Bling Bling verlieren. Black Sunday, wenn auch nicht Rapmetal – trägt eine Menge Crossover-Vibes in sich, spielt mit dem Bizarren und Grotesken und landet so irgendwo zwischen Horrorcore, Alternative Hip Hop und Hardcore-Rap. Die Geschichten stammen direkt von der Straße, sind Over the Top Gangstertales, die das Ghetto besingen, beklagen, feiern und irgendwo darin verloren gehen. Die Sounds sind nochmal ein gutes Stück düsterer geworden, die Beats und Samples hauen rein, besitzen aber auch Groove, poptaugliche Melodien und vor allem die richtige Dosis an koboldartigen Spielereien. Das schmeckte Mitte der 90er dann auch einer Menge Crossover- und Groovemetal-Fans, und so gelang Cypress Hill das, was nur wenige andere Hip Hop Combos von sich behaupten können: Sie landeten mit ihren Hits nicht nur im Mainstream sondern auch auf den Bühnen der großen Alternative Rock und Metal-Festivals, und das alles ohne dezidiert Crossover oder Nu Metal zu spielen. Black Sunday ist mit ziemlicher Sicherheit ihr bestes Album auf diesem Weg, voll mit Hits und Hymnen, aber auch voll mit aggressiven Vibes, voller Dunkelheit und Mysterien.

DMX – It’s Dark and Hell Is Hot

(Def Ja, 1998)

In den späten 90er Jahren traten Gangsta-Rap und Hardcore in so etwas wie ein Dark Age ein. Während sich Eastcoast wie Westcoast im Schock befanden über den Tod von Tupac Shakur auf der einen und Notorious BIG auf der anderen Seite,
entwickelte sich der traditionelle Gangsta-Rap mehr und mehr Richtung Bling Bling Hip Hop. Während die Westküste damit so etwas wie neues Chartpotential für den Hip Hop eröffnete (und dabei unfassbar leere Langweiler produzierte) wendete sich der Hardcore Hip Hop der Ostküste von den Gangsterthemen mehr und mehr ab, versuchte neue Impulse zu entwickeln und drehte sich dabei oft um sich selbst. Earl Simmons alias DMX spiegelt diese Stimmung in seinem Debüt „It’s Dark and Hell Is Hot“ perfekt wider. Nicht mal 30 Jahre alt spielt er sich zum apokalyptischen Propheten des New Yorker Hardcore Raps auf; und das verblüffende dabei, er ist in dieser Rolle zu jedem Moment glaubwürdig. „It’s Dark and Hell Is Hot“ beschreibt die Ostküste Amerikas als postmodernes Sodom und Gomorrha, mittendrin DMX, der unentschlossen zu sein scheint, ob er diesen Status beweinen, feiern, verfluchen oder zerstören will. Daraus entstehen radikal ambivalente Stücke, unterlegt mit minimalistischen und atmosphärischen, fast schon e-musikalischen Samples, getragen von Vocals, die zu den verschiedensten Stimmungen in der Lage sind: Zwischen Wut und Verzweiflung, Zorn und Hass, zwischen Resignation und Kampfeswillen. Manchmal fast gemurmelt, in sich selbst verloren, manchmal laut und aggressiv, manchmal würdevoll und reflektiert. DMX ist der Apokalyptiker, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, um die Untergangsstimmung zu bespielen und zugleich gegen sie anzukämpfen. Ein großes Album, das auch bereits den Weg ins neue Rap-Jahrtausend weist.

Dälek – Negro Necro Nekros

(Gern Blandsten, 1998)

Habe ich gerade apokalyptisch gesagt? Die düsteren Geschichten von DMX sind NICHTS gegen das düstere Gesamtgebilde, das MC dälek auf seinem Debüt „Negro Necro Nekros“ abfeuert. Industrial Hip Hop war in den 90ern eigentlich noch kein eigenes Genre, maximal Teil von größeren Crossover oder Nu Metal Projekten, aber selten im puren Rap-Gewand anzutreffen. Umso erstaunlicher und vor allem visionär, was Dälek zusammen mit Oktopus und Joshua Booth auf diesem monströsen Gebilde lostritt. Negro Necro Nekros ist experimentell, divers und diversifiziert, scheppert sich durch allerhand schräge und fremde Töne, holt Anlauf und stolpert, schreit und keift und wird dann von däleks absolut einzigartiger Stimme zur Beerdigung getragen: Murmelnd, beschwörend, wie ein Schwarzmagier, der kurz davor ist Wesenheiten aus fremden Sphären zu rufen, arbeitet sich Dälek durch das bizarre Soundgerüst. Wo bei Cypress Hill das Groteske immer mit Humor umgegraben wird, entführt uns dieser Sound direkt in einen düsteren Horrorfilm. Allerdings ist Dälek auch weit entfernt von der Horrorcore-Konkurrenz wie der Insane Clown Posse. Bei ihm geht es nicht ums Spektakel, sondern um den ehrlichen, sich lange ausdehnenden Schrecken, mit allen Unklarheiten und Mysterien die dieser im Gepäck hat. Negro Necro Nekros ist der Eraserhead unter den Horrorcore-Scheiben, der Post-Horror-Trip unter den Experimental Rap Ausgeburten. Ein unglaublich rohes und enervierendes Mischwesen aus Industrial und Hip Hop und eines der avantgardistischsten Stücke der 90er Jahre Rapkultur.

Gravediggaz – 6 Feet Deep (Niggamortis)

(Gee Street, 1994)

Jetzt ist das Wort Horrorcore schon gefallen, dann müssen natürlich die Quasi-Erfinder dieses Hardcore-Rap Subgenres (das sich im Laufe der Zeit wiederum zum eigenen Subgenre entwickelt) erwähnt werden. Die Gravediggaz sind eine Supergroup, gegründet von Prince Paul, Too Poetic, Frukwan und RZA, der ein Jahr vor dem Gravediggaz-Debüt bereits mit dem Wu-Tang Clan auslotete, wie viel Horrorkino im Hip Hop möglich ist. Gravediggaz stellen diese Frage nicht einfach, sie beantworten sie mit einem fetten Ausrufezeichen. 6 feet deep auch bekannt unter dem Titel Niggamortis ist ein harter und düsterer Bastard des Genres, voller harter Klänge und minimalistischer Beats, aber auch vor aller bizarrer Samples aus Jazz, Psychedelic und sogar Progressive und Metal. Dabei hat es eine unfassbar düstere Präsenz, scheint direkt einem Midnight Movie Theater entfleucht, leistet sich aber auch so manchen grotesken, satirischen und schlicht albernen Moment. Und so kombiniert 6 feet deep dann sowohl auf lyrischer als auch musikalischer Ebene Geschichten von der Ostküste mit der Poesie aus dem Horrorfilm. Das Leben und Kämpfen auf der Straße wird gespiegelt mit verspielten Slasher-Geschichten, und wenn im Kugelhagel gestorben wird, kann der Grim Reaper auch mal persönlich vorbeischauen. So weiß man als Zuhörer nie genau, ob man denn nun in Deckung gehen oder sich Popcorn greifen soll. Sozialer Realismus und Horrorkarthasis gehen nahtlos ineinander über, mit einem verzweifelten Lachen im Hintergrund, mit der Auflösung der Grenzen von Sozialdrama und Fantasyvergnügen. Und damit ist Niggamortis nicht nur eine – bis heute – extrem starke Horrorcore-Blaupause sondern ebenso fast so etwas wie ein Meta-Kommentar zum Hardcore Hip Hop. Ja, wir beobachten das Leben und das Sterben, aber wie sehr ist dies zur schlichten Unterhaltung geworden? Befinden wir uns als Rezipienten und Künstler nicht längst auf einer Leinwand, die vorgibt Realität einzufangen, in Wahrheit aber nur der Befriedigung morbider Gelüste dient? Wie auch immer, an 6 feet deep führt kein Weg vorbei.

M.O.P. – First Family 4 Life

(Relativity, 1998)

Wenn wir schon bei den düstersten und gruseligsten Hardcore Hip Hop Outputs der 90er Jahre waren, können wir auch gleich zum härtesten weiter schreiten. M.O.P. sind aggressiv as fuck. Sie machen keine Gefangen, stattdessen krallen sie sich ihre Opfer und lassen sie unter harten Vocals zu Grunde gehen. Klar gibt es hier auch vieles andere, was man vom Gangsta-Rap des Jahrzehnts kennt: Die verspielten Samples, die Pop- und Kulturreferenzen. Aber im Gegensatz zu vielen Beat- und produktionslastigen Outputs wird First Family 4 Life voll und ganz getragen von der Wut, die Lil‘ Fame und Billy Danze in ihren gnadenlosen Rap stecken. M.O.P. sind fast so etwas wie die Screamo-Jünger der Eastcoast, nirgendwo anders passt das Hardcore im Hardcore Hip Hop besser. Der Kampf der Stimmen des Duos führt zu Schreiattacken, die man ebenso von Bands wie Agnostic Front oder Biohazard erwarten würde. Die Wut, die sie dabei transportieren, wirkt stets glaubwürdig, auch immer mit der richtigen Portion Verzweiflung unterlegt. In ihrer Radikalität auch politisch, selbst wenn die Inhalte die Politik nur am Rande streifen. First Family 4 Life ist verflucht hart, spart nicht an Tiefschlägen und Kopfschüssen, und ist damit vielleicht sogar der brutalste Hardcore-Rap Output, vielleicht sogar der brutalste Hip Hop Output der 90er Jahre überhaupt.

Bands/Künstler_Innen: Cypress Hill, Dälek, DMX, Gravediggaz, GZA, M.O.P., Nas, Public Enemy, RZA, Wu-Tang Clan, | Genres: Hardcore Hip Hop, Hip Hop, | Jahrzehnt: 1990er,


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